HELGE SCHNEIDER, 28.04.2011, Liederhalle, Stuttgart

Helge Schneider

Foto: Steffen Schmid

So kanns gehen. „Katzeklo“ und „Telephonmann“ gesungen, drei beknackte Filme gedreht, schon besetzt man die Schublade, in der Didi Hallervorden und Karl Dall aus Altersgründen soeben Platz gemacht haben. Weitgehend unbekannte und mäßig verständliche Prozesse des Showbiz führen außerdem dazu, dass einem plötzlich die anerkannte Partyvokabel der frühen bis mittleren Neunziger anhaftet, kultig. Das widerfuhr Helge Schneider, genauer: dem damals in der Comedybranche noch eher belächelten Helge Grimassenschneider, und es brachte ihm nebenbei die lang ersehnten Piepen ein, die man braucht, um als Künstler über die Runden zu kommen.

Aus der einstigen Schublade rausgenommen und genauer betrachtet, weiß man nicht recht, was Schneider eigentlich macht. Fürs Kabarett eine Gewürzmühle zu viel Nonsense, fürs Comedy-Genre zu wenig Gags und Gaga – bleibt nix anderes, als das Fach Kleinkunst. Fachrichtung wunderlich bis skurril.

Was Schneider im Beethovensaal vor allem macht, ist Musik, hauptsächlich Jazz, manchmal Blues, bisschen Country, bisschen Schlager, eine Spur Gipsy. Schon zu Anfang stimmt er das Publikum darauf ein, lässt seine dreiköpfige Kapelle in Bunttextilien antreten und betastet das Klavier. Munter wechselt er zur Orgel, entlockt ihr diverse Klänge, bricht ab und startet zur Willkommensplauderei. Keine wirkliche Ansprache, mehr eine spontane Begrüßung, einige Worte zu Stuttgart, eine Aufzählung ‚großer Künstler‘, Händel, Papaschlumpf Abraham, Roxette, Maradona, Hasselhoff, Betrachtungen zum Eisbär Knut plus Eisbärensprache, kurze Ankündigung zum Ablauf des Abends. Denn Schneider hat alte Lieder dabei, mit neuen Texten, auch mit neuen Melodien, und natürlich neu vertextete alte Melodien und sowieso.

Sagts und spielt als Trapper Johnny Flash gleich den Song „Texas“. Nicht näher zu beschreiben, der Text ein einziger Schabernack, der Schluss so abrupt wie der Anfang. Fans mögen das, dementsprechend fällt der Applaus aus. Für die angebrachten Verbeugungen hat Schneider den vollbärtigen Sergej (im Turndress) engagiert, der hin und wieder auf Befehl erscheint und sich artig verneigt, wie es von einem Äffchen verlangt wird.

Verspielt kommen Schneiders kleine feine Niederträchtigkeiten gegenüber seiner versammelten Kapelle daher, wer den Zirkus dirigiert und wessen Willkür die Artisten unterworfen sind, ist von Anfang an klar. Das zweite Äffchen, Marke Mozart plus Perücke, sitzt abseits, und reicht Schneider in den Songpausen, während mancher Plauderei, auf Befehl einen Schluck Fencheltee. Kontrabassist Ira, der, wie wir erfahren, seinen Bass 1957 erworben hat, bekommt ebenfalls mehrmals ein kleines Stückchen von Helges Heiterkeit ab.

Nett bis seltsam bis beknackt die Songauswahl. Schneider singt „Hunderttausend Rosen schenk‘ ich dir“ in schmieriger Roland-Kaiser-Pose, „Hast du eine Mutter, hast du immer Butter“, „der Schönheitschirurg von Banania“ oder vom „Meisenmann“. Dabei wird er nicht müde, Instrumente zu wechseln, wirft sich mal eine Perücke über oder holt eine Handpuppe hervor. Sämtliche Strophen sind serienmäßiger Widersinn hart an der Demenz, etwas wie ein Grundthema ist inmitten der Dauerimprovisation Schneiders kaum erkennbar. Bis zur Pause ist das durchaus witzig, besonders im zweiten Teil wird es aber anstrengend.

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Konzeptlosigkeit ist Programm beim selbsternannten Botschafter des Jazz Helge Schneider. Dafür muss man einen Geschmacksnerv haben, das muss man mögen. Ich tue es leider nicht. Manches Stück war ganz nett, insgesamt aber bleibt mir der Künstler Helge Schneider fremd. Als Onemanband in der Fußgängerzone, mit Trommel auf dem Rücken und vorgeschnallter Mundharmonika präsentiert, würde Schneiders Nonsense für mich ein zwei Lieder lang durchaus aufgehen, ein kompletter Abend auf der großen Bühne lässt sich damit nicht füllen.

Helge Schneider

Foto: Steffen Schmid

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