THE RADIO DEPT., 20.03.2011, Manufaktur, Schorndorf

The Radio Dept

Foto: Steffen Schmid

The Radio Dept. in der Manufaktur – ein weiteres persönliches Highlight eines großartigen Konzert-Frühjahrs. Wer pünktlich kommt, darf die Band noch diskret beim Abendessen im Manufaktur-Restaurant bestaunen – fängt gut an. Nach einem Zwischenstopp am gut sortierten Merch-Tisch, sind wird um einen Stoffbeutel mit Distinktionsgarantie reicher – „Oh toll, Du warst bei The Radiohead“ bemerkt der geschätzte Blog-Kollege am nächsten Tag fast genau richtig.

Die Manufaktur ist gut gefüllt mit dem üblichen älteren Indie-Connaisseur-Publikum. Bemerkenswert die Vorband: Kim Ki O sind ein weibliches Duo aus Istanbul und machen düstere Popmusik mit Synthie und Bass. Erinnert etwas an Au Revoir Simone, und richtig, mit denen sind sie auch schon aufgetreten. Ekin und Berna scheinen umtriebige Indie-Größen zu sein, zu ihren Bewunderen gehören Jens Lekman und Erlend Øye, The Radio Dept. wählten das Kim Ki O-Album „Dans“ in ihre Pitchfork-Top-10 2010-Liste. Die Musik klingt mitunter etwas monoton, aber sehr intensiv. Cool zu wissen jedenfalls, dass Indie auch am Bosporus zu Hause ist, werden wir im Auge behalten.

Sehr gespannt sind wir natürlich auf den Hauptact. The Radio Dept. aus Schweden gelten als öffentlichkeitsscheue Geheimniskrämer. Offizielle Bandfotos gibt es kaum, aussagekräftige Musikvideos genauso wenig, getourt wird eher selten. Es existiert zwar eine umfangreiche Website, die wird aber von Fans betrieben – welche wiederum, auf Grund sparsamer Informationspolitik von offizieller Seite, über die Jahre die Deutungshoheit über das Werk von The Radio Dept. an sich gerissen haben. Sehr zum Missfallen der Künstler offenbar. Die von Fans betriebene, inoffizielle The Radio Dept.-Facebook-Seite suggeriert mit Updates im Namen der Band Authentizität, die Künstler selbst schlagen inzwischen notgedrungen mit einer offiziellen Facebook-Page zurück.

The Radio Dept

Foto: Steffen Schmid

Umso spannender zu sehen, wie kommunikativ sich das geheimnisvolle Trio live gibt. Schon beim Opener „Freddie And The Trojan Horse“ zeigt sich, euphorische Bühnenshows sehen anders aus, aber was wir hier erleben ist trotzdem extrem großartig. Der Sound ist voll und intensiv, The Radio Dept. sind wahnsinnig präsent. Obwohl das Set Up denkbar reduziert und clean ist (drei Typen, Synthie, Gitarre) sind wir vom ersten Moment an berührt und mitgerissen. Sänger und Frontmann (soweit man den Begriff hier überhaupt benutzen kann) Johan Duncanson gibt sich unnahbar, aber nicht abweisend, die Songs und seine Stimme entfalten live eine noch hypnotischere Wirkung als auf Platte. Klingt alles enorm dreamy, aber nicht düster, dafür poppig im besten Sinne. Ab und zu wabern Kasakden von Disconebel von der Bühne, draußen scheint der Supermoon, passt mal wieder alles zusammen.

„The New Improved Hypocrisy“ ist ein relativ neuer, politischer Song, den man sich vor einiger Zeit kostenlos herunterladen konnte. Gespielt werden außerdem u.a. „Ewan“, „Worst Taste in Music“, „I Wanted You To Feel The Same“, „1995“, „Domestic Scene“, „Heaven’s On Fire“ und „Never Follow Suit“. Meine Güte, haben die eigentlich nur Hits? Und „David“, „I Don’t Need Love, I’ve Got My Band“ oder „Strange Things Will Happen“ waren nicht mal dabei.

Letztes Stück ist „Closing Scene“. Sänger Johann verlässt mit einem aufgeräumten „Cheers!“, die Bühne. Wie, das war’s schon? Der Auftritt fühlte sich natürlich mit einer knappen Stunde viel zu kurz an, aber wir haben Glück, es gibt noch eine Zugabe („Why Won’t You Talk About It?“), das scheint nicht selbstverständlich zu sein. Fantastische Songs, absolut sehenswerte Band, wir kommen wieder.

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