HEIDI FOERSTER, Neue Hinterglasbilder / Thema Stuttgart 21, 20.03.2011, Galerie Valentien, Stuttgart

Heidi Foerster

© Galerie Valentien

In der traditionsreichen Galerie Valentien, ganz in der Nähe des Staatsministeriums, wurde am vergangenen Sonntag eine außergewöhnliche Ausstellung eröffnet, die sich der Herr Ministerpräsident unbedingt anschauen sollte. Die Hinterglasmalerin Heidi Foerster stellt ihre neuesten Werke aus, ihr aktuelles Thema: Stuttgart 21. Den Farbwelten von Heidi Foerster wird allgemein eher eine faszinierende Lieblichkeit zugeordnet. Galerist Dr. Freek Valentien eröffnet die Ausstellung mit den Worten: „Heidi Foerster hat ihre Blumenbilder zur Seite gestellt, als Reaktion auf die Zerstörung der Natur im Herzen unserer Stadt.“ Er betont, die Ausstellung wolle nicht die Gefühle der Projektbefürworter verletzten, sondern einfach ein Forum für die neuesten Entwicklungen in der Kunst von Heidi Foerster bieten und Raum für Diskussionen.

Wahrlich eine faszinierende Lokalität diese Villa, mit ihrem traumhaften, kleinen Skulpturengarten. Kaum zu glauben, dass dies wohl eine der letzten Ausstellungen sein soll, die hier stattfinden wird. Alfred Hrdlicka und viele andere große Künstler wurden hier immer wieder den Stuttgartern nahe gebracht. Musikalisch rustikal-temperamentvoll begleitet von Compagnia Sackbahnhof strömt ein sehr gemischtes Publikum in Räumlichkeiten und Garten: viel Oberschicht und Schickeria (manche mit dezentem Pro Stuttgart 21 Button), ein paar herum tollende Kinder (manche mit K 21 Button), Künstler, Linke und Aussteiger (manche mit sehr vielen Buttons, für oder gegen sehr Vieles) und sich gönnerisch gebende Kunstmäzene (all diese Buttons belächelnd). Ich denk mir schön, das kann doch interessant werden, sollte Kunst tatsächlich heute noch polarisieren?

Als erstes fesselt dann aber doch eines der klassischen Werke von Heidi Foerster meinen Blick: “Derniers Iris“. Ein Farbenrausch von ineinander fließenden Blüten, der eine fast schon sakrale Stimmung entfaltet. Das ist die hohe Kunst der Hinterglasmalerei, die Foerster berühmt gemacht hat. Denn nur wenige beherrschen diese Technik, bei der sich der Künstler hinter der Glasscheibe, immer die Ansicht des vor dem Bild stehenden Betrachters zueigen machen muss. Der Farbentfaltungseffekt durch das Glas ist beeindruckend! Die meisten potentiellen Käufer rotieren dann auch um diese Meisterwerke.

Von diesen Bildern geht ein fast impressionistischer Zauber aus, ergänzt um mystische Elemente aus dem fernöstlichen Kulturkreis. So zitiert Dr. Hans Hartmann in seinem Überblick über das Werk der Künstlerin einen ganz banalen, aber zentralen Satz von Heidi Foerster: „Eine Blume, ist mehr als eine Blume.“ Blumen und Bäume ziehen Heidi Foerster in ihren Bann und lassen sie diese fühlbare Urenergie der Natur in Allegorien an die Schönheit umwandeln.

Die Frage, die mich zu dieser Ausstellung brachte, war: Was passiert mit dem Werk einer Künstlerin, wenn Lieblichkeit politisch wird? Wie passt das zusammen? Dieser schöngeistig, esoterische Farbenreigen und die harte Realität eines naturzerfressenden, gigantischen Großprojekts? Zum einen wäre da das Andenken, das Gedenken an den bereits teilweise zerstörten alten Bahnhofsbau von Paul Bonatz. Da schimmert viele Liebe zum Bauwerk in den Farben. Zum anderen, und zentraler Bestandteil der aktuellen Bilderreihe, sind da die Baumbilder. Heidi Foerster hat hierbei die bedrohten Bäume mit ihrem Schmuck und den Plakaten der Parkschützenden in den Mittelpunkt gestellt. Die Titel der Bilder sprechen für sich: “Dieser Baum ist ein Atemhaus“, “Ich bin ein Lebensraum für viele Arten, auch für Dich“, “Was hab ich Dir getan?“

Die ganzheitliche Sichtweise der Natur, welche die in Südfrankreich lebende Künstlerin vertritt, spiegelt sich in diesem Aufschrei gegen die Zerstörung wider. Die Farben dienen dabei als Vermittler der Schönheit der bedrohten Natur. Hinzu kommt ein für mich faszinierender Effekt der Hinterglasbilder, man sieht, je nach Blickwinkel, seine eigenen Konturen in der bedrohten Landschaft, auf den Stämmen und auf den Ästen der Bäume.

Viele Botschaften der Künstlerin sind in diesen Bildern versteckt. Buddha, der unter dem Baum Geborene. Khalil Gibran mit seinem poetischen Satz: „Bäume sind Gedichte, die die Erde in den Himmel schreibt.“ Das mit seinen dunklen Brauntönen düster stimmende Bild “Indignez vous“, ist eine Hommage an den französischen KZ-Überlebenden und Mitautor der UN-Menschenrechtserklärung Stéphane Hessel. Dessen Schrift “Empört Euch“, enthält eine Kernaussage, an die ich bei dieser Ausstellung mehrfach denken muss: “Neues schaffen heißt Widerstand leisten. Widerstand leisten heißt Neues schaffen.“

Am außergewöhnlichsten sind zwei Bilder der Künstlerin vom Abriss des Nordflügels des Bahnhofs. “Brutal“ lautet der Titel, des für mich ausdrucksstärksten Bildes der Ausstellung. Der verdrehte gelbe Baggerarm reißt tief in die Flanke des Nordbahnhofs, in dessen aufgerissenem Inneren letzte Lebensfunken glühen. Diese Bilder führen dann auch zu den angeregtesten Diskussionen. Besonders hartnäckig ausgetragen in einem Nebenraum der Ausstellung, wo Fotografien von Beate Roller und Chris Schaal zu sehen sind: Bilder von der Parkräumung am 30. September. Bei aller Schönheit der Werke Heidi Foersters, ich denke diese unübersehbare Politisierung der Besucher, dürfte ihr eine zusätzliche, große Freude sein. Für mich geradezu sinnbildlich, eine Szene im Garten: zwei heftig diskutierende ältere Damen setzen sich, von der Hitze des Gefechts erschöpft, auf den Rand eines flachen Steins. Sie bemerken nicht, dass es sich dabei um ein Kunstwerk handelt. Es ist nicht von Heidi Foerster, passt aber zu dieser Ausstellung sehr gut. Es ist ein Grabstein. Auf ihm steht in goldenen Lettern: Stuttgart 21.

Ausstellungsdauer: 20. März – 28. Mai 2011, Galerie Valentien Stuttgart

Heidi Foerster

Foto: Felix Rüdel

3 Gedanken zu „HEIDI FOERSTER, Neue Hinterglasbilder / Thema Stuttgart 21, 20.03.2011, Galerie Valentien, Stuttgart

  • 22. März 2011 um 11:47 Uhr
    Permalink

    Lieber Felix,
    dankeschön für Deine Eindrücke. Wir werden der Ausstellung auf jeden Fall einen Besuch abstatten.
    Wenn der oben erwähnte Grabstein bis dahin schon ein bißchen mehr Realität geworden sein sollte, so wäre dies wahrlich ein Grund zur Freude.

  • 22. März 2011 um 12:52 Uhr
    Permalink

    kunst, die wir am rande eines randvollen tellers schwäbisch geschmelzter maultaschen wohl kaum verstehen. der elfenbeinturm ist künstlern vorbehalten, wenn nun die stuttgarter sich auch gern jenseits der hauptverkehrsachsen dieser welt bewegen bzw. eher stehenbleiben wollen, so sei ihnen dies unbenommen. schade nur um die politiker, die sich so sehr für den fotschritt eingesetzt haben, ja: wir können eben alles, außer…………….und diese pünktchen lassen sich mit vielem füllen. dennoch: wer profanes liebt, dem sei profanes gegeben. grüsse aus trinationalen metropolregion oberrhein (france, allemange, schweiz). und: nicht aufregen, kunst ist auch PROVOKATION!

  • 15. April 2021 um 15:25 Uhr
    Permalink

    „stuttgart 21“ sagt mir als österreicher wenig. die umweltzerstörungsproblematik kenne ich allerdings auch bei uns. schön,daß sich eine künstlerin dieser thematik annimmt.
    wäre eine anregung für unsere hinterglas-tradition (sandl – immaterielles weltkulturerbe).
    ich fürchte,da wird nichts draus. aber themen gäbe es auch bei uns genug.
    respekt,frau foerster!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.