Landtagswahl 2011: FDP, 18.3.2011, Redblue Arena, Heilbronn

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Foto: Lino

Sind wir hier überhaupt richtig? Irgendwie hatten wir uns das spektakulärer vorgestellt, wenn der Vizekanzler kommt. Eine halbe Stunde vor Veranstaltungbeginn parken nur wenige Autos vor der prächtig verglasten Heilbronner Mehrzweckhalle. Die uniformierten Ordnungshüter deuten dann aber doch auf zu beschützende Stargäste hin, also nix wie rein.

Die umfangreichen Security-Checks nimmt Vielflieger Lino stoisch hin, die Personalien des bodenständigen apulischen Verwaltungsangestellten halten glücklicherweise jedem polizeilichen Backgroundcheck stand. Von diesem Mann geht keine Gefahr aus, „den dürfet se mitnehme“. Unauffällig mischen wir uns unters Leistungsträgervolk.

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Foto: Lino

Prosecco? Fehlanzeige. Weißwein gibt’s maximal, dazu Wienerle mit Brötchen (3 Euro). Die Location hat den Charme eines gepflegten Autobahnrestaurants, in der Lounge läuft Bluesrock. Das Publikum ist bürgerlich, viele Silver Surfer, die eine oder andere Spät-80er-Igelfrisur, eine Dame trägt Leopardenfellboots mit Stilettoabsätzen. Wow, FDP-Kondome als Giveaway? Ach nee,doch nur Brillenputztücher. Schade.

Der Saal ist mit gut zweihundert FDP-affinen Heilbronnern ordentlich gefüllt, pünktlich um 19 Uhr geht’s los. Der vollschlanke örtliche FDP-Langtagsabgeordnete Richard Drautz (ganz guter Claim „Freiheit braucht Gewicht“) liest etwas holprig ein paar Grußworte in feinstem Honoratiorenschwäbisch ab und macht bald die Bühne frei für den baden-württembergischen FDP-Spitzenkandidaten und Justizminister Professor  Ulrich „Uli“ Goll.

Goll spricht frei, wirkt klug, freundlich, zugewandt. Sein erstes Thema ist die Kernenergie in Deutschland, immer wieder weist er aber auch auf die viel drängenderen Probleme der von Erdbeben und Flutkatastrophe betroffenen Menschen in Japan hin. Vernünftig. Zu hören gibt es wenig Neues: „Es ist schon lange klar, dass Kernernergie ein Auslaufmodell ist.“

Dann kurze Unterbrechung der Rede: „Es zeichnen sich wichtige Ankünfte ab. Isch er scho da?“ Er isch da. Guido marschiert ein, in den gleisenden Lichtkegel einer Fernsehkamera getaucht und nimmt samt Entourage in der ersten Reihe Platz. Goll begrüßt Duzfreund Westerwelle herzlich und nimmt den Redefluss souverän wieder auf.

Goll spricht ein kleines bisschen zu schnell, wirkt aber dabei nicht hektisch sondern eher euphorisch. Er plädiert klar für erneuerbare Energien, bleibt dabei sachlich und spart sich allzu polemische Seitenhiebe auf den politischen Gegner (wie übrigens während der gesamten Rede). Pluspunkt für ihn.

Die vier wichtigsten Vorhaben der FDP in Baden-Württemberg möchte er heute skizzieren. Punkt eins: „Wir wollen mit dem auskommen, was wir einnehmen.“ Das heißt vor allem auch „den Leuten das Geld im Beutel lassen“. Hmm, von den Leuten, bei denen der Beutel leer ist wird nicht gesprochen. Ist im Saal aber offenbar auch keiner betroffen davon.

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Zweites Vorhaben: „Wir wollen Vollbeschäftigung sichern“, der Fachkräftemangel soll bekämpft werden. Leuchtet ein. Punkt drei: „Wir wollen alle jungen Leute im Land qualifizieren.“ Die Landesregierung gäbe schon jetzt 42 Prozent des gesamten Landeshaushalts für Bildung aus. Wenn’s stimmt: Fett. Bin beeindruckt. Hätte ich nicht gedacht. Auf eine Lehrerstelle kämen außerdem in Baden-Württemberg 15,5 Schüler, auch das klingt gut, kann ich allerdings aus umfangreicher empirischer Erfahrung eindeutig als Augenwischerei enttarnen. Das suggeriert, dass in baden-württembergischen Klassenzimmern fünfzehn Schüler mit einem Lehrer sitzen, das gibt’s aber meiner Erfahrung nach höchstens in Oberstufengruppen (und auch da selten). Jo, Wahlkampf halt.

Die von Rot-Grün geplante Basisschule (zehn Jahre gemeinsamer Unterricht für alle) nennt Goll einen „ideologischen Exerzierplatz“ und spricht sich eindeutig dagegen aus. Macht Sinn. Bin selber Basischulen-Skeptikerin. Vierter und letzter Punkt: „Wir vertrauen auf die Menschen – gegen staatlichen Dirigismus“. Das kommt allerdings überraschend (Scherz).

Zur geplanten „ökologischen Ordnungspolitik“ der Grünen sagt Goll, das klänge nach „Planwirtschaft“ und ein bisschen tut er auch so, als planten die Grünen als erste Amtshandlung das Auto abzuschaffen, meines Erachtens die schwächste Stelle des ansonsten angenehm sachlichen Vortrags. Der Schlussakkord nimmt Bezug auf die Linken: „Wer will dieses blühende Land in die Hände der Nachfolger der SED geben? Das darf niemals passieren!“ Bämm.

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Foto: Lino

Nachdem sich kurz die anderen Landtagskandidaten vorstellen dürfen, betritt gegen acht Uhr Guido Westerwellle die Bühne. Im Vergleich zu Goll ist er eher blass, seine Rede wirkt stellenweise wie abgespult, ganz schön auf Autopilot der Mann. Insgesamt argumentiert er sehr viel polemischer und populistischer als Goll. Über Libyen spricht er nur kurz, mit dem Satz „Millionen Menschen wären froh, wenn sie zur Wahl gehen dürften“ holt er sich kurz Gratisapplaus ab. Wer’s mag.

Es fallen triviale Sätze wie „Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts“ und „Leistung muss sich lohnen“. Sauber. Den meisten Applaus gibt’s für die herrlich inhaltslose Forderung „Es muss einen Unterschied machen, ob Du morgens aufstehst oder ob Du liegen bleibst“. Polit-Sprech vom Feinsten.

„Das ist doch wirklich der Südwesten!“ biedert sich Guido zum Abschluss etwas hölzern an. Und am Ende heißt’s auch hier: „Entscheiden Sie sich für die Erben von Hans-Dietrich Genscher, nicht für die Erben von Erich Honecker.“ Aufpassen, offenbar saugefährlich, diese Linken. Und damit zurück ins Funkhaus.

Beide Reden auf YouTube

FDP Baden-Württemberg – Wahlprogramm und Infos

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