ROBYN, 07.03.2011, Capitol, Offenbach

Robyn

Foto: Steffen Schmid

Könnte es mit Robyn bitte schön die ganze Zeit so weiter gehen? Sie ist der weibliche Popstar, den die Welt braucht. Unbedingt. Nicht nur am Frauentag. Sie ist unique, wie man in Modeblogger-Kreisen vielleicht so schreiben würde. Robyn ist auf Deutschland-Tour. Start ist im ausverkauften Offenbacher Capitol.

Geht‘s eigentlich noch unglamouröser als Offenbach? Wohl kaum. Immerhin werden wir nett begrüßt in der eher unwirtlichen Hood rund um die Venue. Irgendjemand hat alte Sofas auf den Gehweg gestellt. Wenn der gig-blog einen Ausflug macht, ist er meist zu früh dran. Praktisch, wenn man noch einkehren möchte. Reingestolpert ins Trattodino (hier in der Big City Offenbach haben sie noch mehr listige Gastronamen wie etwa „Soupreme – die Suppenbar“), ein gutes italienisches Restaurant übrigens – sollte mal jemand aus Versehen hier in der Gegend sein.

Eigentlich sind wir ja nur wegen Robyn da. Aber mei: S‘dauert halt schon sehr lang, bis sie dann endlich auf die Bühne kommt. Ausverkauftes Haus. Nervöse Mädchen, von denen jedes aussieht, als würde es ein Mode-Blog betreiben. Und beim Bilder-vorm-Spiegel-machen immer Robyn hören. Überhaupt: Am Tag darauf ist ja Frauentag. Die Gender-Diskussionen sind hier wohl auf einem ganz anderen Level, wenn man sich so umschaut. Moderne Buben und Mädchen in androgynen Robyn-Agyness-Deyn-Einheits-Haarschnitten, von denen wahrscheinlich niemand Bascha Mikas „Die Feigheit der Frauen“ gelesen hat. Am Merchandise-Stand gibt es neben Jutebeuteln (Must-Have-Accessoire der Indie-Meute seit 2009 oder so) natürlich auch T-Shirts zu kaufen. „Don‘t Fucking Tell Me What To Do“ steht auf einem. Macht sich bestimmt gut im Büro. Oder vielleicht auch hinterm DJ-Pult. Könnte man mal darauf zeigen bei unsäglichen Liedwünschen.

Vergangenes Jahr veröffentlichte Robyn gleich drei kleine Alben (Body Talk Pt. 1-3), die sich dann zum großen Ganzen zusammenfügen. Schon vor ein paar Jahren hat sich diese Entwicklung hin zum coolen Indie-Popstar abgezeichnet. Wir hatten sie damals (war‘s 2008? – also vor dem ganzen Hype) auf dem Melt-Festival zum Interview getroffen.

Robyn

Foto: Steffen Schmid

Rückblick.

Gerade hatte sie Konichiwa Records gegründet, ihre eigene Plattenfirma, die von ihrer Küche in Stockholm aus betrieben wurde. Nach über zehn Jahren im Musikbusiness hatte sie sich freigeschwommen. Und freigekauft. „Ich fühlte mich von den Regeln der Industrie eingeengt“, sagte Robyn damals. Die muss es wissen: Robyn war gerade mal 16 Jahre alt, als sie zum Popstar wurde. Die Tochter eines Regisseurs und einer Schauspielerin hatte ein, zwei internationale Charthits, die ihr ein gewisser Max Martin geschrieben hatte. Martin ist die Hitfabrik, die auch Britney Spears und die Backstreet Boys mit ihren Songs versorgte. Doch Robin Miriam Carlsson wollte nach ein paar Jahren Popgeschäft nicht zum Plastikpüppchen mutieren. Sie ging zurück auf Los und bezahlte ihre ehemalige Plattenfirma Jive Records mit ihrem Erspartem aus.

Das Album mit dem schlichten Titel „Robyn“ wäre mit einer großen Plattenfirma nicht möglich gewesen, sagte Robyn. Es sei eine Bauchentscheidung gewesen, einen anderen Weg zu gehen. Doch wer wagt, gewinnt. In England wurde die Single „With Every Heartbeat“ ein großer Hit. Es ist ein perfekter Popsong. Auch nach Robyns eigener Definition: „Ein perfekter Popsong muss aus Kontrasten bestehen: Er sollte traurig und fröhlich zugleich sein.“ So wie „Dancing with Tears in my Eyes“. Oder eben auch ein Abba-Song.

Zurück in die Gegenwart.

Robyn

Foto: Steffen Schmid

Robyn hat es geschafft. Das mit den Songs, die gleichzeitig traurig und fröhlich sind. „Dancing On My Own“ ist ein gutes Beispiel dafür. An diesem sehr kurzweiligen Abend gibt es noch mehr Beispiele dafür. Einer der schönsten Momente ist fast ganz zum Schluss, als Robyn „Stars 4-Ever“ anstimmt. Ein Boy auf den Schultern eines anderen Boys singt sie an: „You and me together, Stars forever“ – und Robyn singt zu ihm zurück, die Menge jubelt. Das sind Konzertmomente, die auch die negativen Begleiterscheinungen vergessen lassen. Das Konzert ist zu kurz (gerade mal knapp über einer Stunde), es beginnt erst gegen 22.30 Uhr. Die eine Vorgruppe (Natalia Kills) ist absurd krass, mit der anderen (Mr. Beasley) hat man fast schon Mitleid, weil es selten so viel Applaus auf den Satz „This is our last song“ gab.

Robyn

Foto: Steffen Schmid

Dann aber kommt endlich Robyn. Sie ist ein Wirbelwind auf der Bühne. Sie spuckt die Worte heraus. Sie rappt, sie singt, sie säuselt. Robyn macht wunderbare Popmusik, die anders ist. Hart und weich zugleich, elektronisch und eingängig. Auf der Bühne sind zwei Herren an den Synthesizern, zwei hinterm Schlagzeug, zwei Windrädchen gibt es auch noch. Mittendrin: Robyn, der Tomboy, die früher wohl lieber Räuber und Gendarm als mit Puppen gespielt hat. Heute macht sie mit den Herren Musik.

Robyn

Foto: Steffen Schmid

Was Robyn da auf der Bühne veranstaltet, entzieht sich musikalisch und auch optisch allerlei Genrezuschreibungen. Die Herren tragen weiße Kittel, Robyn eine Glanzleggins, wie sie vielleicht manche bei ulkigen Sportarten wie Kunstradfahren anhaben, eine Kampfjacke und ihre Plateau-Tanz-Schuhe. Robyn will nicht gefällig sein. Ihre Songs sind es auch nicht. Sie singt „Time Machine“, „Fembots“, „Cobrastyle“, von dem man sich fragt, ob Robyn oder die Teddybears das nun gecovert haben. Es gibt natürlich „Dancing On My Own“, einen der besten Popsongs, den das Jahr 2010 hervor gebracht hat, „Don‘t Fucking Tell Me What To Do“, „Hang With Me“ und „Indestructible“. Hitgebatsche quasi. Ganz zum Schluss stimmt Robyn sogar Abbas „Dancing Queen“ an, um dann ihren R‘n‘B-Hit „Show Me Love“ zu mash-uppen. Herzig: Bei „With Every Heartbeat“ formen die Fans Herzchen mit ihren Fingern. Zu Recht.

Robyn

Foto: Steffen Schmid

7 Gedanken zu „ROBYN, 07.03.2011, Capitol, Offenbach

  • 8. März 2011 um 15:03 Uhr
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    Ah scheiße, da wäre ich auch gern gewesen…

  • 8. März 2011 um 16:26 Uhr
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    Robyn ist dieses Jahr auch auf dem Melt!

  • 8. März 2011 um 18:47 Uhr
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    Hier gibt’s noch Fotos von Robyn auf dem Iceland Airwaves 2010. Einfach auf das Bild klicken.

    Robyn

  • 9. März 2011 um 11:05 Uhr
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    Aber so was von geniale Bilder! Kannte die Künstlerin bisher nicht. Jetzt such ich mir auf YouTube die Finger wund…

  • 9. März 2011 um 15:21 Uhr
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    Ich war auch bei dem Event. Da mir die Warterei aber zu blöd wurde, bin ich um 22:20h gegangen.

    Wenn auf einer Karte steht, dass ein Konzert um 21:00h beginnt und der Act steht dann erst um 22:45h auf der Bühne, dann ist das in meinen Augen nicht professionell.

    Dass es zwei Vorgrupppen gab, ist für mich auch keine Entschuldigung. Die Musik der ersten Band kam vom Band und die Zeit, die die zweite Band gebraucht hat, um ihren einzigen Synthie aufzubauen, war für mich auch nicht nachvollziehbar.

    Ich muss aber auch zugestehen, dass mir beide Vorgruppen wenigstens gut gefallen haben.

  • 10. März 2011 um 08:07 Uhr
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    Das war wirklich spät. Keine Ahnung, was sich manche bei solchen Anfangszeiten denken. Das löst ja nur Unmut aus.

  • 11. März 2011 um 20:34 Uhr
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    Super Artikel!
    Das Konzert war wirklich super, auch die angesprochenen Kritikpunkte stimmten wirklich. Nicht’s gegen Mr. Beasley, aber das war dann doch ein wenig zu viel des Guten…. . Und ja, Offenbach ist schon ein kleiner Kulturschock…. Hab extra 4,5 h Fahrt auf mich genommen und es hat sich wirklich gelohnt. Sobald Robyn wieder Live in Deutschland ist bin ich dabei!!
    Damen hoch und weiter so!

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