THE BLACK ANGELS, 21.02.2011, Röhre, Stuttgart

Black Angels

Foto: Steffen Schmid

Was will man eigentlich noch groß schreiben, nachdem der Kollege Tox tags zuvor beim Sodomkonzert Ungeheuerliches gesehen hat? Kann man überhaupt noch Konzertreviews schreiben nach solch einer historischen Zäsur (Auflösung am 27. Februar, hier auf gig-blog)? Man kann’s ja mal versuchen, es muss ja weitergehen, man kann den Laden schließlich nicht einfach dichtmachen. Und außerdem spielt heute Abend eine meiner Lieblingsbands aus der Psychedelicrockecke leibhaftig hier in Stuttgart auf: The Black Angels. Vergangenes Jahr sind wir noch bis nach München gefahren, um sie im Vorprogramm von Wolfmother zu sehen. Resümée damals: als Vorband verschenkt. Deswegen sind wir umso gespannter, wie das heute Abend hier so sein wird.

Erfreulich voll ist die Röhre, als nach der Vorband The Rockandys (ganz grobe Sound-Orientierung: The Black Mountain) so gegen 21:45 Uhr das Licht ausgeht und Interstellar Overdrive von Pink Floyd als Intro läuft. Bad Vibrations, der Opener des aktuellen Albums Phosphene Dream, eröffnet ein begeisterndes Set. Präsentiert werden Songs aus allen drei Alben, bunt durcheinander gemischt. Soll heißen, kürzere, griffigere Songs, wie sie v.a. auf dem letzten Album zu finden sind, wechseln sich mit dunklen, träge dahin mäandrierenden Psychedelicbrocken ab.

Sänger Alex Maas prägt mit seiner charakteristischen, schneidenden Stimme die Songs ebenso wie Stephanie Bailey mit ihrem präzisen Drumming. Nebenbemerkung: Es sollte viel mehr Schlagzeugerinnen geben. Von meiner Position aus gehen die Keyboardsounds von Alex Maas etwas unter, aber das ist nicht weiter schlimm. An Sounds mangelt es nicht. Kyle Hunt, Christian Bland und Nate Ryan weben einen Klangteppich aus flirrenden Fuzzgitarren, Keyboard, Bass, Schellenkranz, Sambarasseln und zweiten Stimmen und füllen so die Luft in der Röhre mehr als aus. Vor allem bei den längeren, hypnotischen Stücken des zweiten Albums Directions To See A Ghost klingt das wirklich genau so, wie ich mir diese Stilrichtung wünsche. Wer braucht da noch Drogen, geht doch auch so bei dieser Musik.

Black Angels

Foto: Steffen Schmid

Ein gutes Beispiel dafür ist Science Killer. Von der Songstruktur her passiert da nicht viel, und doch packt einen der Song am Wickel. Der schleppende Rhythmus fährt einem in die Glieder, der Rest vermittelt das Gefühl irgend etwas Rituellem beizuwohnen. Um mich mal selbst zu zitieren (jaha, hier werden Zitate noch gekennzeichnet):

So muss es sich anfühlen, wenn man nachts in der Wüste New Mexicos im Meskalinrausch von einer Klapperschlange gebissen wird.

Die Ohrstöpsel hab ich mir schon längst rausgenommen, dieses Klangerlebnis will ungefiltert erlebt werden. Außerdem habe ich erst heute gesehen, dass es in der Stadt einen Hörgeräte-Discounter gibt.

Nach dem fantastischen U On The Run wird das reguläre Set mit dem eher untypischen Telephone beendet. Könnte fast von den ganz frühen Beatles stammen der Song. Das Publikum johlt, ist begeistert, will mehr. Kriegt auch mehr. Nach dem von Alex Maas solo mit der Gitarre vorgetragenen Stück Too much Hate, gibt’s wieder mehr druckvollen Psychedelicrock, wobei der Abschlusstrack Young Men Dead auch gleichzeitig der Höhepunkt eines überragenden Konzerts ist. Das Stück ist die Quintessenz all dessen, was die Black Angels zu einer herausragenden Band macht.

Im italienischen sagt man übrigens, dass solche Bands „sonici“ seien. Könnte man auch mal ins Deutsche einführen. Der Abend war sehr sonisch!

2 Gedanken zu „THE BLACK ANGELS, 21.02.2011, Röhre, Stuttgart

  • 22. Februar 2011 um 20:16 Uhr
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    Compadre, „Young Men Dead“ auch mein Lieblingsstück.
    Du Harter Du, Meskalin nachts in der Wüste, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt kickt bei Dir wohl nicht mehr genug, wenn Du da noch an Klapperschlangengift denken kannst.
    Aufpassen halt wegen dieser einen Spinne (Arachne Hannemanski), Du hast doch ohnehin kaum Fleisch auf dem Gerippe.
    Sehr schön: Gibt man im Googlesuchfeld „Jeff Hanneman“ ein, wird automatisch „Nazi“ ergänzt, dabei ist er doch nur ein Californian Punk!

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