BEATSTEAKS, 26.01.2011, Universum, Stuttgart

Beatsteaks

Foto: Steffen Schmid

Herrschaftszeiten. Mittags steht Heidi Klum im Drogeriemarkt Müller auf der Königstraße rum, macht Werbung für Lippenstift und nur ein paar Stunden später springen um die Ecke schon die Beatsteaks durchs Universum. Die wiederum machen Reklame für sich selbst, beziehungsweise ihre neue Platte „Boombox“. Erscheint am Freitag. Vorbestellung hab ich aus Gewohnheit schon bei Flight 13 rausgehauen. Vinyl. Ehrensache.

Da ich mit Lippenstift scheißer aussehe als Robert Smith ohne, hab ich mich für die Beatsteaks entschieden. Ich mag die. Auch wenn sie manchmal etwas sympathischer als ihre Lieder sind. Eingefleischte Fans attestieren dem Quintett aus Berlin gerne mal „Genialität“. Das ist natürlich ausgemachter Blödsinn. Herzlich sind sie, saugut auch, irgendwie „echt“ und eben wahnsinnig unterhaltsam. So auch beim DAS DING Exklusivkonzert im mit 250 Zuschauern ausverlosten Universum.

Kurze Anweisung durch die Clubsprechanlage bevor’s losgeht mit dem Konzert und der Liveübertragung auf DAS DING: Ein Moderator des Radiosenders erklärt, man möge bitte frenetisch ausflippen, durchdrehen, kreischen, brüllen, sich nackisch machen, wenn Sänger Arnim später die Hand hochhält, Zeigefinger und Daumen zum Kreis schließt und die restlichen drei Finger hochstreckt. Das sei wichtig, weil man im Radio halt nix sehen, sondern nur hören könne. Und während ich Depp mich noch frage, wie sich „nackisch machen“ wohl im Radio anhört und ob ich das echt machen soll, geht’s auch schon los.

„Fix It“ – nagelneues Lied. Anschmiegsamer Jogger-Punkrock. Saugut. Arnim, fashionweekmäßig ganz weit vorne im Biene-Maja-Ringelhemdchen, macht die Fingergeste: Alle brüllen, kreischen, drehen durch – keiner macht sich nackisch. Die Happy Hour ist trotzdem eröffnet. Ein paar Leute singen schon mit, als ob sie die Platte seit drei Monaten in Dauerschleife hören würden. Der Rest schunkelt und nach kaum einer Minute grinsen alle mindestens so breit wie Biene Maja auf der Bühne. „If we can’t fix this – we can’t fix anything“, singt Arnim Teutoburg-Weiß – der Mann mit dem Namen, der so gut klingt, dass man ihn gleich nochmal tippen möchte: Arnim Teutoburg-Weiß. Vielleicht singt er auch „If we can fix this – we can fix anything“ – egal. Klingt beides gut.

„Solln wa die Rechnung uffmachen?“, berlinert Arnim fast akzentfrei ins Universum. „Okee, de Plattenfirma zahlt. Die Biere anner Bar gehn uff uns.“  Aber Pustekuchen, keiner geht zur Bar – lieber ein paar neue Lieder hören. Eines davon heißt „House On Fire“, eines „Alright“ – eine lockere Schunkelnummer, die neue Single „Milk & Sugar Honey“ gibt’s auch und noch ein paar mehr. Allesamt sehr anständig, ohrgewurmt und beatsteaksmäßig wieder sauber zusammenzitiert aus der großen, weiten Bibliothek des Rock’n’Roll. Aber nicht nachgeäfft. Das ist der große Unterschied. Ach, wie alle guten Berliner haben übrigens auch die Beatsteaks schwäbische Prozentualbeteiligung. In diesem Fall: Schlagzeuger Thomas Götz, alter Ulmer Reutlinger (Danke, Frau Coco Carachoo von Steakipedia).

Beatsteaks

Foto: Steffen Schmid

Zwischen all‘ den neuen Liedern gibt’s freilich auch ein paar wohldosierte Gassenhauer: „To Be Strong“ zum Beispiel oder eine schmissige Lagerfeuerversion von „Big Attack“. Auch eine sehr gute Idee ist das mindestens drittbeste Beatsteaks-Lied aller Zeiten: „Shiny Shoes“. Alle singen mit und viele der auffällig weiblichen und jungen Zuschauer flippen schon wieder frenetisch aus – auch ohne Fingerzeig von irgendwem.

Das Schöne an den Beatsteaks: Die haben Spaß und lassen ausnahmslos jeden dran teilhaben. Keine unnötige Ernsthaftigkeit, kein unsachgemäßes Rumgepose und keine Angst, sich auch mal selbst mal ein Bein zu stellen. Haben die voll drauf.

Zwischendrin verheddern sich die Beatsteaks dann auch prompt in ein paar ihrer alten Songs, beziehungsweise unterschiedlicher Auffassung darüber, wie die denn bitte zu spielen seien. Und es ist eher sympathisch als peinlich. Teutoburg-Weiß rennt zu jedem seiner Mitstreiter, flüstert ihnen irgendwas ins Ohr, Arm nach oben – flatz – „Let Me In“. Und während ich gerade applaudieren möchte, muss ich schon das Getränk von der Bar nehmen, weil Teutoburg-Weiß drüberläuft, singt und kurz danach durchs Publikum rennt und jeden anrockt, der bei „Drei“ nicht auf der Bar steht. Macht natürlich keiner, obwohl da jetzt Platz wäre. Die Gläser und Flaschen waren ja weg. Kurz „Cut Off The Top“ anspielen und dann geht’s weiter mit „Let Me In“. Blitzsauberes Entertainment, Sackzementnochmalaberauch. Dann noch eine brüllgepunkte Zugabe von maximal 90 Sekunden und der Sack ist nach einer Stunde zu. Schluß. Bumms, aus, Jugendhaus.

Am Ausgang bekomme ich von einer freundlichen Reklamedame einen Lippenstift mit DAS DING Logo in die Hand gedrückt. „Hä, Lippenstifft?“. „Nee, is’n Labello“, sagt sie. Klar, Heidi Klum war ja in der Königstraße, nicht im Universum. Wird’s nie lernen.

P.S.: Brennt mir seit Jahren auf der Seele, jetzt muss es raus: Bei der Wahl zum Rock’n’Roller schlechthin möchte ich kurz noch Beatsteaks-Gitarrist Bernd Kurtzke ins Rennen werfen. Der stand vor ein paar Jahren in der Röhre, Aftershowparty nach dem Ärzte Open-Air in Ludwigsburg. Es war sauheiß, er trug trotzdem T-Shirt und Lederjacke. Dann der Stunt: zieht die Lederjacke aus, gibt sie seinem Nebenmann, zieht das T-Shirt aus und schlüpft wieder in die Lederjacke. Das, werte Damen und Herren, ist Rock’n’Roll. Nicht das ganze Buch, aber ein nicht zu unterschätzender Teil davon.

P.P.S.: Ich glaube, ich habe jemanden beobachtet, der eine DAS DING Aufstell-Fahne geklaut hat. Wozu auch immer.

6 Gedanken zu „BEATSTEAKS, 26.01.2011, Universum, Stuttgart

  • 27. Januar 2011 um 10:28 Uhr
    Permalink

    genialer Bericht – als wäre man dabei gewesen!!! ;o))))))))

  • 27. Januar 2011 um 11:58 Uhr
    Permalink

    Sehr schöner Artikel, werter Herr Setzer.

    Besagter Bernd Kurtzke laberte mich einst in einer Tour und in abfälliger Weise auf dem WC des Berliner SO36 voll, während ich lediglich erfolglos versuchte zu urinieren. Aufgrund seines Pegels verstand ich aber zum Glück kein einziges Wort. Eine kleine Nuschel-Atze ist das.

    Übrigens habe ich letztens durch dich festgestellt, dass ich wirklich dringend eine Brille tragen muss. Ganz euphorisch war ich, als ich dich neulich an der S-Bahn Haltestelle Feuersee erspähte. Ich machte mich auf den Weg zu dir rüber, musste aber zehn Meter vor dir augenblicklich kehrt machen, da du eine Frau mittleren Alters mit langen schwarzen haaren warst, die einen feuerroten Schal unter dem Kinn trug.

  • 27. Januar 2011 um 12:38 Uhr
    Permalink

    Das Coco-Ding (Redaktion Steakipedia) grüßt kniefällig zurück! ;o))

  • 27. Januar 2011 um 14:42 Uhr
    Permalink

    Ha, da hat der Sänger wohl vorher gespickt, welches Bühnenoutfit letztes Jahr am fünftbesten bei den Gigbloggern angekommen war. Dopsismus jetzt!

  • 27. Januar 2011 um 16:26 Uhr
    Permalink

    Weil’s geht, Herr Setzer, weil’s geht. Und natürlich weil eigentlich jeder gern eine mit DASDING gebrandete Fahne im Zimmer stehen hat, nich?

  • 15. Februar 2011 um 10:11 Uhr
    Permalink

    Ehm wie du hast jemand beobachtet, der ne mit DASDING gebrandete Easyflag geklaut hat?
    Du weißt nich zufällig wer das war? :D

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.