THE BUILDERS & THE BUTCHERS, 14.12.2010, Schocken, Stuttgart

Foto: Nikolai Worms

Die kleine Bühne im Keller des Schocken lässt es nicht zu, dort die Garnituren zweier Bands aufzubauen, und so drängeln sich nach dem Gig der Vorband (Spitze: The Steaming Satellites) nun die Builders & Butchers höchstpersönlich, beladen mit ihrem Equipment, durch die Menge und auf die Bühne, bauen schnell alles auf, stimmen noch kurz die Klampfen und legen sofort los. Die ursprünglich aus Alaska stammende und nun in Portland, Oregon ansässige Band ist visuell schon durch ihre eigenartige Instrumentalisierung ein Ereignis: Harvey Tumbleson, 120-Kilo-Mann, der mit Vollbart und Glatze jeder Metalband alle Ehre machen würde, hängt sich abwechselnd ein E-Banjo und eine skurril kleine E-Mandoline um, die vorne auf seinem Bauch balanciert und von ihm mit rasender rechter Hand zerschrubbt wird. Er hat sich einen Whiskey mit auf die Bühne gebracht, von dem er ab und zu nippt und danach jedes Mal kurz schmerzverzerrt das Gesicht verzieht.

Der etwas teigige Frontmann Ryan Sollee, der von weitem etwas an einen fülligen Paul Scholes, Mittelfeldmann bei Manchester United erinnert, schremmelt währenddessen in ähnlichem Akkord auf einer riesigen Akustikgitarre und singt die Stücke mit schnarrendem, melancholischem Organ, wenn man die Augen schließt, denkt man unwilllkürlich an Placebos Brian Molko. Anleihen bei den ebenfalls in Portland ansässigen Decemberists sind allgegenwärtig, allerdings sind die Stücke der Builders & Butchers mit einer ordentlichen Portion mehr Tempo ausgestattet.

Das merkwürdigste ist aber das Schlagzeug oder vielmehr die zwei halben Schlagzeuge, die Brandon Hafer und Ray Rude sich in trauter Eintracht teilen. Man peilt eigentlich das komplette Konzert nicht so richtig, wer von den beiden jetzt gerade was spielt oder wie sich die beiden überhaupt koordinieren, die Snare scheint jedenfalls einfach doppelt vorhanden, so dass sich ein etwas schleppender und dreckig rumpelnder, jedenfalls mit großer Leidenschaft getrommelter 2-Step-Beat ergibt, der manchmal merkwürdig an eine dieser synchron spielenden vielköpfigen Sambabands erinnert. Da fragt man sich, wieso es eigentlich in jeder Band zwei oder drei Gitarren, aber nur ein Schlagzeug gibt; das fette Doppelschlagzeug der Builder & Butchers, oder nach eigener Aussage der „deconstructed drumming style“, müsste im Folk-Rock dieser Couleur eigentlich zum Standard werden.

In breitestem American English und mit deutlichen Blues- oder Gospeleinschlag („Oooooohhhh Loooooooord…“), knödelt sich Sänger Ryan Sollee und scheppert sich der Rest der Band durch teilweise sehr mitgröltaugliche Folk-Rock-Klopper wie When it rains oder das großartige Barcelona (Was haben denn diese Bands aus Portland überhaupt immer mit den spanischen Städten, siehe Oh Valencia). Da sieht man sich vor dem inneren Auge direkt im Pub einer mittelgroßen mittelamerikanischen Universitätsstadt, ein paar Leute tragen Cowboyhüte, viele habe komische Bärte, es riecht nach verschüttetem Bier, Dunst und Schweiß hängen in der Luft, das Publikum schlägt den Rhythmus auf dem verfügbaren Mobiliar mit oder stampft mit den Hacken der Cowboystiefel. Das ist mehr so indirekte Schönheit, die sich in den Bierpfützen auf abgenutzten Holztresen spiegelt.

So hat sich mittlerweile auch vor der Schocken-Bühne eine bierseelige Schubsrunde ergeben, die eigenartigerweise alle Lieder auswendig kann. Auch Tumbleson ist auf Bier umgestiegen; ihm kommt dabei zugute, dass er die Position direkt neben der Bar hat und ohne Umwege bei der Barfrau bestellen kann, die eigentlich nur noch damit beschäftigt ist, ihm neue Flaschen hinzustellen und Bierlachen aufzutupfen, weil Tumbleson zu hastig saugt oder er mit dem kohlensäurehaltigen deutschen Pils im Vergleich zum amerikanischen Wasserimitat einfach noch nicht so gut fertig wird.

Das ist immer schön, so ein Stück echtes Amerika zu sehen zu bekommen, dass vorher keinen Umweg über allzu professionelle Band-Coachings und Major-Labels gemacht hat. Da merkt man dann regelmäßig, wie einseitig der massenmedial vermittelte Eindruck von der Kultur in den Staaten ist. So rau und uninszeniert und scheppernd und redneck klingen Amibands auf Europatour jedenfalls selten. Mehr davon.

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