MUTTER, 10.12.2010, Manufaktur, Schorndorf

Mutter, live, 10.12.2010, Manufaktur Schorndorf

Foto: Tobias Sauer

Mutter aus Berlin haben ein neues Album mit dem Titel „Trinken Singen Schiessen“ auf dem Bandeigenen Label „Die Eigene Gesellschaft“ veröffentlicht, und wir haben heute das Glück in Schorndorf einen Termin der Tour miterleben zu dürfen.

Das Album hat es bei Radio Störfunk (hier der schwerstens zu empfehlende Podcast) zur Platte des JAHRES geschafft, und erst selbiger Podcast hat mich wieder nach langer Zeit überhaupt auf Mutter aufmerksam gemacht. Die letzte, allerdings immer noch ziemlich lebendige Erinnerung an Mutter, war das am 10.09.2001 veröffentlichte, verdammt gute, harte Album „Europa gegen Amerika“ (allein schon der Titel!), welches auf der Innenseite des CD-Covers ein verstörendes comichaftes Bild vom George W. Bush (Clown Prince W II), der als „Todfeind“ bezeichnet ist, mit Mickey-Maus-Ohren, der die auf der amerikanischen Flagge angerichtete Erdkugel frisst, die im Hintergrund brennenden Hochhäuser könnten problemlos die Skyline von New York darstellen. Ein Kumpel hat mir das damals gezeigt, und unverändert läuft’s mir heute noch kalt den Rücken runter. Am Verkaufsstand ist die CD erhältlich und ich schaue mir das Booklet wieder an, leider kann ich trotz intensiver Suche kein Bild im Netz finden. Komisch. Dass ich die Band, was bestimmt öfter passiert, Hamburg zugeordnet hatte, rundete die Sache damals für mich noch ab. Mit der Bemerkung, dass heute ein „Mutter Live“-Plakat (in Öl) am Stand feilgeboten wird, auf dem ein übergroßer Jumbo im Anflug und von Flammen in goldenes Licht getaucht, abgebildet ist, beende ich das Thema.

Das Quintett um Sänger Max Müller, der auf der Bühne Christoph Schlingensief sehr ähnlich sieht, was nicht nur mir auffällt, kann man dem Noiserock zuordnen, der einen live umhauen soll, gab es von Rocko Schamoni zu hören, und umgehauen hat es mich auch, wenn auch das Konzert nicht von der ganz wilden, lauten Sorte war, wie es sie wohl auch schon gab. Die ersten Stücke, die ich erkenne sind „Loch“ („Leben heißt das Loch, das mich als Durchfall hat“) vom aktuellen Album, und „Ich Weiß Ja Wer Du Bist“ von Europa ./. Amerika – beide sollten in einer besseren Welt Verkaufszahlen mit sehr vielen Nullen rechtfertigen. Der Sound ist spitzenmäßig, wie ich finde, druckvoll, und immer wieder wird kräftig gelärmt (Noiserock). Es zeigt sich auch, was ich schon lange für allgemeingültig halte, wir Deutsche können halt nicht auf englisch Texten und Singen, auf deutsch klappt das, und bei Mutter besonders gut. Es ist schon eine echte Ausnahme, dass ich bei einem Konzert mal jedes Wort verstehe, Max Müller singt ausgesprochen klar und Lieder, die man nicht kennt, versteht man sofort. Er wirkt recht kühl auf der Bühne, sieht nicht aus, als hätte er großen Spaß, aber Mutter ist halt schwere Kost, die schnörkellosen Texte haben Tiefgang bis Oberkante Unterlippe und da würde anderes Auftreten nicht passen, aber trotzdem, ein bisschen mehr hätte es sein dürfen. Immerhin bekommt er 1x „Danke“ raus – als ihm der hingebungsvollste Fan, der unermüdlich in der ersten Reihe tanzt, ein Bier übergibt. Sonst nix, kein Wort, keine Regung zwischen den Stücken.

Streicherarrangements gab es schon auf „Europa“, wie jetzt auch auf der neuen Scheibe, bei „Die Alten Hassen Die Jungen“ (Die Alten hassen die Jungen, bis die Jungen die Alten sind) werden diese aus dem Keyboard gezaubert. Sehr schön das, und wieder ein sehr gutes Stück. „Reifen Rollen“ wieder saustark, die Bemerkung kann man sich eigentlich sparen, was Schwaches gibt’s bei Mutter im Live-Programm offenbar nicht. Zwei weitere Gründe „Trinken Singen Schiessen“ zu kaufen sollen noch folgen, „Wohltäter“ (Ohrwurm mit Wortspiel), das es auf der Scheibe in zwei Versionen gibt, Nr. 2 etwas volkstümlicher, „Geschrei nach Liebe“ untermauert den Verdacht, dass was dran ist, dass Max Müller angeblich mal als Sänger für die „Beste Band Der Welt“ vorgesehen war, jedoch keinen Bock auf die Proben hatte. Dafür ist er auch in der pinselschwingenden Kunst aktiv, und hat neben dem obigem Jumbo-Plakat auch einen schönen Pin-up Kalender gestaltet, der neben 12 Frauen auch 12 unveröffentlichte Stücke von Mutter zum Runterladen bietet – erhältlich oben hinter dem ersten Wort des Textes.

Mutter ist die Beste (deutsche Band), besser als die „Beste Band der Welt“ – um Welten.

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