PERSISTENCE TOUR 2010 mit SICK OF IT ALL, BLOOD FOR BLOOD, EVERGREEN TERRACE u.a., 07.12.2010, Filharmonie, Filderstadt

Blood for Blood

Foto: Carsten Weirich

Der Herr sei gepriesen! Meine absoluten Lieblings-Hardcore-Hooligan-Streetpunk-Rock’n’Roller Blood For Blood sind nochmal in town, und ich darf live dabei sein. Und weil Geschenke in der besinnlichen Vorweihnachtszeit gern auch mal ein bissel größer sein dürfen, gibt es Sick Of it All gleich noch oben drauf. Seltsam nur die Rahmenbedingungen: Wer sich das Spektakel der Persistence Tour 2010 nicht entgehen lassen will, muss an den Arsch der Welt nach Filderstadt fahren – und das auch noch unter der Woche. Einlass um 17.30 Uhr… Grundgütiger, da muss ich ja noch arbeiten. Na gut, mein Pech. Dann verpasse ich eben gleich mal die ersten drei Bands Vera Cruz, Casey Jones und Cruel Hand. Kenne ich eh nicht, also hält sich der Verlust in Grenzen.

Ist schon ein seltsames Gefühl, als wir die Filharmonie Filderstadt betreten. In dem Ambiente erwartet man eher gehobenes Publikum in gesetztem Alter. Stattdessen wird das Konzerthaus bevölkert von schwer tätowierten Hardcore-Leuten, Punks und Metallern in bester Laune. Hat man ja auch nicht alle Tage so ein Brett von einem Konzert. Wir kommen gerade richtig, denn wir haben uns noch nicht mal richtig akklimatisiert, da legen auch schon Evergreen Terrace aus Florida los. Sympathisch, haben die sich doch anstelle eines blutrünstigen, gewalttätigen Namens tatsächlich nach der Straße benannt, in der die Simpsons wohnen. Wobei… Blood for Blood klingt doch cooler. Evergreen Terrace kannte ich bislang nicht, gefällt mir aber richtig gut. Flotter Metalcore mit melodischen Gesangspassagen des zweiten Sängers und reichlich Gebrüll des zierlichen Sängers Andrew Carey, dem man das auf den ersten Blick gar nicht zutrauen würde. Erinnert von weitem ein bisschen an Robert Stadlober. Anbrennen lässt er aber nichts. Das steckt an, denn die ersten potenziellen Unruhestifter zieht es dann auch Richtung Tanzfläche, wo sie mit hubschraubergleichen Faustschwingern auf andere treffen, die gepflegte Beinarbeit in Form von Kicks bevorzugen. Der erste Circle Pit bildet sich, in dem gestandene Männer glücklich wie Kinder im Kreis rennen und schauen, wem sie eine mitgeben können. Würdiger Auftakt würde ich sagen. Für uns zumindest, viele andere sind ja schon länger da.

Unearth hören wir fast nur von draußen, wo man beim Plausch mit alten Bekannten das ein oder andere Bier trinkt und neidisch die Körperverzierungen der Anderen betrachtet. Mentale Notiz an mich selbst: ein neues Tattoo muss her. Währenddessen dreschen drinnen die US-Amerikaner auf ihre Instrumente ein. Nicht so ganz mein Ding, diese Mischung irgendwo zwischen Metalcore, Trashmetal und Deathmetal. Scheint aber ganz gut anzukommen. Die Tanzfläche ist gut gefüllt und der Schubskreis nimmt langsam richtig Formen an. Alles scheint bereit zu sein für Blood For Blood.

Blood for Blood

Foto: Carsten Weirich

Als das Banner mit dem Totenkopf heruntergelassen wird, bekomme ich eine leichte Gänsehaut. Dann ist es soweit, ich darf Eric „Buddha“ Medina und seine Mannen nochmal live sehen. Vielleicht das letzte Mal, denn schon jetzt treten Blood For Blood nicht in Original-Besetzung an. Die letzte Veröffentlichung liegt viele Jahre zurück und der Kontakt zum Gitarristen und zweiten Sänger Rob „White Trash“ Lind ist laut offizieller Verlautbarung abgebrochen. Also wurde kurzerhand ein würdiger Ersatz für die Tour gesucht und in Billy Graziadei von Biohazard gefunden. So schön das natürlich ist, lässt es einen als Fan nicht gerade positiv in die Zukunft blicken. Egal, heute ist heute und wir sind hier.

Blood for Blood

Foto: Carsten Weirich

Blood for Blood machen von Anfang an das was sie am Besten können – auf die Kacke hauen. Wonneproppen Eric „Buddha“ Medina shoutet heraus, was er der Welt zu sagen hat. Und das ist nichts Gutes. Es geht um zerbrochene Träume, den Hass auf die Gesellschaft, den Schmerz des Lebens und um rohe Gewalt. Als er einen Song als lebensbejahend und positiv ankündigt, muss er selbst lachen: Es folgt „Piss all over your hopes and dreams“. Erhobene Fäuste, vom Mitbrüllen verzerrte Gesichter, sich von der Bühne stürzende Stagediver und sich gegenseitig malträtierende Hobby-Nahkämpfer prägen das Bild. Spätestens bei der Streetpunk-Hymne „Some kind of hate“ brechen alle Dämme, und ich hasse es doppelt und dreifach, dass mich dieser verfi… Bänderriss dazu zwingt am Rand zu stehen und den Rest um seine Unversehrtheit zu beneiden.

You call me antisocial
you’re fucking right,
‘cause I hate this goddamn world
and every motherfucker inside.

Das ist nichts für Musikfeingeister, sondern einfach nur die blanke Wut von Blood For Blood. Ihre Fans aber haben sie lieb. Das sagen sie oft und wem will man sowas abnehmen, wenn nicht ihnen. Als Dank reichen sie dem treuen Anhang becherweise Getränke von der Bühne. Ansonsten geben sie einfach nur Vollgas. Was für ein Brett. Doof nur, dass das kein Solokonzert ist. Eine knappe Dreiviertelstunde ist einfach zu wenig und ich vermisse haufenweise Songs, wie beispielsweise „Redemption Denied“ oder „White Trash Anthem“. Trotzdem, ich bin dankbar. Und ein wenig traurig.

Warum D.R.I. nach Blood for Blood spielen dürfen, ist mir ein Rätsel und der Stimmung nach vielen anderen auch. Klingt uninspiriert und lau. Die Tanzfläche leert sich und wir ziehen es auch vor im Vorraum nochmal die Getränkebecher zu füllen.

Sick of it all

Foto: Carsten Weirich

Vielleicht ist die abgeflaute Stimmung schuld daran, dass Sick Of It All – nicht weniger als eine Legende – ein paar Songs brauchen, bis der Funke überspringt. Beim Opener „Death or Jail“ reagieren die Fans noch verhalten. Allzulange dauert es allerdings nicht, bis die New Yorker da anknüpfen, wo Blood For Blood aufgehört haben. Die Fetzen fliegen, der Circle Pit dreht seine Runden und im Schubskreis ist oben ohne angesagt. Selbst ein paar Damen lassen es sich nicht nehmen die Shirts auszuziehen. Pete Koller kickt wie ein Derwisch gitarrespielend im Kreis, während sein Bruder Lou Hits wie „Uprising Nation“ und „Take the night off“ ins Mikro shoutet. Wir sollen alles da draußen vergessen, mahnen Sick Of It All. Jetzt sei es nur wichtig, die Sau rauszulassen und Spaß zu haben. Nicht ganz einfach, wenn man weiß dass man am nächsten Tag früh aus dem Bett muss, aber ich gebe mein Bestes. Die da oben auch und das steckt an. Bei „Scratch the surface“ lassen die New Yorker ihre Fans dann standesgemäß in der Wall of Death aufeinander los. Zum Abschluss entert der Anhang dann versammelt die Bühne, um Arm in Arm und überglücklich mit den großen Idolen gemeinsam zu singen. Ein tolles Bild und ein toller Abschluss. Gegen 0.30 Uhr ist dann Feierabend und Sick Of It All entlassen ihre Fans in die verregnete Nacht. Klasse Sache die Persistance Tour 2010. Bin jetzt schon gespannt, wer 2011 auf der Bühne stehen wird.

Sick of it all

Foto: Carsten Weirich

Sick Of It All

Blood for Blood

Ein Gedanke zu „PERSISTENCE TOUR 2010 mit SICK OF IT ALL, BLOOD FOR BLOOD, EVERGREEN TERRACE u.a., 07.12.2010, Filharmonie, Filderstadt

  • 22. Dezember 2010 um 09:00 Uhr
    Permalink

    Warum nur? Weil D.RI. wohl die am längsten aktive Band dieser unsäglichen Tour sind, die einzige, die die Bezeichnung Harcore (neben SOIA) verdient und sowieso eine Legende sind. So viel zu Ahnung und sowieso… ein Jammer, was heute alles als Hardcore durchgeht…

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