FAITHLESS, 22.11.2010, Arena, Ludwigsburg

Faithless (Maxi Jazz, Sister Bliss, Rollo), britische Musikergruppe, bei einem Auftritt in der Arena Ludwigsburg

Foto: Timo Deiner

Deep in the bosom of the gentle night

Faithless-Konzert Minute 51: scheinbar mühelos wie ein Boxer, der mit einem Springseil trainiert, die Arme leicht abgewinkelt, den Blick fordernd auf den Betrachter gerichtet, tänzelt Maxi Jazz auf der Stelle im abgedunkelten Licht, rot bestrahlt, und reißt den Text des Überhits an… die Bässe lauern bereits, das Publikum in höchster Erwartungshaltung, spricht er weiter:

Is when I search for the light…

Die Beats und die uhrwerkartigen Akkorde rücken heran…

Insomnia – I can’t get no sleep

Donnernder Akzent, gleißendes Licht – und wieder dunkel, gespannte Stille…

I can’t get no sleep

Und dann: Schleusen auf. Aus Sister Bliss´ Keyboard ergießt sich Insomnias Synthie-Tune in den Saal, gefühlte 100 kopfbewegte Scheinwerfer richten ihren Lichtkegel aufs Publikum, die Leucht-Wände im Bühnenhintergrund explodieren förmlich… überwältigend! Selten einen Song so inszeniert gesehen, aber es sollte nicht bei diesem einen heute Abend bleiben.

1995 hatten Faithless ihren ersten und größten Hit Insomnia. 1995 zog ich mit Matze und Alper in unsere erste WG und Insomnia wurde einhergehend mit der neuen Freiheit quasi der WG-Track: viel feiern, wenig Schlaf, noch weniger Uni. Der nachfolgenden Longplayer Reverence lief abwechselnd mit Underworlds Second Toughest In The Infants rauf und runter. Letzteres lag mir immer näher, weil rauer, monotoner, Faithless war mir immer letztlich eine kleine Spur zu poppig.

Das Faithless-Dreigespann Maxi Jazz (Maxwell Fraser, Vocals, Hobbyrennfahrer), Sister Bliss (Ayalah Bentovim, Keyboards, DJ mit Ausbildung als klassische Pianistin) und Rollo (Roland Armstrong, Produzent und Didos Bruder) brachten in den Jahren danach mehrere Alben heraus, in denen sie ihre Mischung aus Trip Hop, Trance, Electronica und House weiterentwickelten und zu einer festen Größe heranreiften. Live und auf Tour sei Faithless herausragend, hieß es immer, weil durch große Bandbesetzung ein selten erreichter Live-Charakter ihrer elektronisch produzierten Musik erreicht werden konnte. Aus welchen Gründen auch immer gingen diese Konzerte an mir vorbei, und parallel dazu wurde es ruhiger um die Band, die ihre vorletztes Album „To All New Arrivals“ 2006 veröffentlichten.

Jetzt, 2010, neues Album „The Dance“, neue Tour, neue Chance auf einen Live-Auftritt in der Arena Ludwigsburg.

Faithless (Maxi Jazz, Sister Bliss, Rollo), britische Musikergruppe, bei einem Auftritt in der Arena Ludwigsburg

Fotos: Timo Deiner

Die große Halle ist mit geschätzten 2000 Besuchern nicht ganz voll, die Sitzplätze eher leer, das Publikum in meiner Altersklasse und darüber, also in erster Linie Altfans. Beeindruckende Bühnentechnik hat Faithless am Start: zig Moving Heads, die besagten Leuchtwände (G-Lecs) und insgesamt vier Line-Arrays, deren Sound allerdings nur richtig gut in der Mitte der Halle ankommt. Neben Maxi Jazzs Sprechgesang und Sister Bliss´ Keyboard-Manualen werden zwei Schlagzeugburgen, Bass, Gitarre und Gastsänger Harry Collier eingesetzt, und doch will sich bei mir anfangs keine richtige Begeisterung einstellen: obwohl die dargebotenen Songs mal rockig, mal reggaeartig die Bühne verlassen und ein abwechslungsreiches Programm gespielt wird, bleibt für mich die Show zu techniküberlagert und die Halle zu Mehrzweck. Bis Minute 51…

Mit Insomnia ist der Damm gebrochen. Faithless feiern eine Dancefloor-Hymne nach der anderen – dramaturgisch gut aufgemischt mit ein paar ruhigeren Zwischenstücken – und schaffen es tatsächlich, die in ihrer Form ähnlich gestrickten Tracks wie Tarantula, Salva Mea, What About Love etc. mittels Licht und Performance so zu präsentieren, dass ein Höhepunkte dem anderen folgt, ohne Abnutzungseffekt. Und sich eine Art Dauergänsehaut einstellt (okay, das mit der Gänsehaut ist jetzt etwas peinlich, aber wie peinlich wird das, wenn ich das vielleicht nach dem Scooter-Konzert im Dezember zugeben muss?).

Minute 120. We Come 1 bildet den Zugabenabschluss und spätestens mit diesem Hit wird jedem Faithless´ Musikkonzept gewahr: eine einfache Melodie, der richtige Sound, punktgenau arrangiert und perfekt in Szene gesetzt und fertig ist der Super-Dancefloor-Pop. Klingt einfach, kann aber kaum einer. Faithless können es.

10 Gedanken zu „FAITHLESS, 22.11.2010, Arena, Ludwigsburg

  • 23. November 2010 um 21:34 Uhr
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    Das Scooter-Konzert wird die vorgezogene gig-blog-Weihnachtsfeier.

  • 23. November 2010 um 21:39 Uhr
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    Scooter rockt! Die letzten Shows waren echt cool und sehr sehenswert. Und das sagt einer, der eigentlich Metal hört ;-) Ich hab das Konzert schon im Kalender stehen, mal sehen obs klappt. Für eine Weihnachtsfeier ist das ganze auf jeden Fall geeignet. Wicked! Yihaaa!

  • 23. November 2010 um 21:53 Uhr
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    Preisfrage: wie alt ist Maxi Jazz (ohne googlen)?

    Tipps bitte hier als Kommentar ablegen ;-)

  • 24. November 2010 um 00:11 Uhr
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    Sensationelle Konzertfotos habt ihr wieder! Chapeau!

  • 24. November 2010 um 07:27 Uhr
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    42!

  • 24. November 2010 um 10:10 Uhr
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    Antwort: 53!

    Maxwell Alexander Fraser, geb. am 15. Juni 1957 in Brixton, London.

    Danke fürs Mitmachen.

    Großartige Fotos, Timo!

  • 24. November 2010 um 13:16 Uhr
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    Dem „Kollegen“ aus der Stuttgarter Zeitung war das Konzert offenbar zu laut, der ist nach Insomnia gegangen. War’s zu laut?

  • 24. November 2010 um 13:46 Uhr
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    „Zu laut“ … hm, ich würd mal sagen: klassische englische Beschallung – zu viel obere + untere Mitten. Und es war nicht voll, die Ränge haben keinen Schall geschuckt.
    Der Ton war spitze am FOH, an anderen Orten war er unstimmig, teilweise auch laut.

  • 29. November 2010 um 15:43 Uhr
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    Ich hab Faithless vor 9 Jahren in Stuttgart gesehen und gehört und dieses Konzert war in jeder Beziehung besser auch wenn die Halle viel kleiner war. Die Lautstärke war unzumutbar und der Sound trotz erstklassiger Anlage eine Katastrophe. Nach 6 Songs hab ich es vorgezogen, und ich war nicht der einzige, zu gehen. Schade.

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