MARKUS MARIA PROFITLICH, 09.11.2010, Theaterhaus, Stuttgart

Foto: SchwerlustigTV

Wer im Glashaus sitzt, der werfe den ersten Stein. So oder ähnlich ließe sich die alltägliche Pein der allermeisten Quatsch- & Comedyformate des Privatfernsehens beschreiben. Woche für Woche watet ein nimmermüder Tross Comedians durch sorgsam aufgestellte Fettnäpfe, und folgt dabei den mehr oder weniger abgeschmackten Drehbüchern verschiedener Gagschreiber. Natürlich lassen sich vor diesem Hintergrund trefflich Geister scheiden, über die böse Kulturindustrie und ihre Einheitsware. Viel spannender aber ist es zuzusehen, wenn eine jener rastlosen Ulknudeln ihrer Gag-Konservenbüchse entschlüpft und ihr Glück draußen, in freier Wildbahn, sprich live auf der Bühne, versucht.

Der Bonner Markus Maria Profitlich versucht es. Und das Päckchen, welches er (oder ein Gagschreiber) für den Zuschauer geschnürt hat, nennt sich denn auch ganz schlicht „Live“.

Theaterhaus. Halle T1. Frontal eine Gassenbühne mit Leuchtelementen, links das Mischpult für den Assistenten Andy Muhlack, rechts ein speckiger Sessel.

Flankiert von seinen Komplizen Martine Schrey und Thomas Hackenberg betritt Profitlich die Bühne mit dem gewöhnlichen, aber immer wieder sympathischen Abtritt-Gag. Pflichtschuldig verabschiedet er sich, wird per hitzig-witziger bzw. witzig-hitziger Debatte (hinter der Bühne) aufgeklärt und spielt den schnuckeligen Opener bis zur Entschuldigung ans Publikum durch. Schon hier wird klar: Man hat es mit einem Abend voller Slapstick und Klamauk zu tun.

Auch die folgende Dankesszene, in welcher Profitlich die erste Reihe abmarschiert und Hände schüttelt, zählt zu den Klassikern, man muss das Publikum (hier genannt: „Stuttgart“) ja mitnehmen. Und mitgenommen ist es, besonders in Gestalt von Frau K., die an diesem Abend noch einigen Schabernack zu ertragen hat.

Tagebucheintrag:
Markus kommt zur Welt.
Nonne haut ihm auf den Po.
Sein erster Auftritt.

Der Sympathiepegel für Profitlich hat bereits die vorweihnachtliche Besinnlichkeitsgrenze erreicht, als der erste Sketch von einem vorgelesenen Tagebucheintrag eingeleitet wird. Ein Baby heult vom Tonband, der heillos überforderte Vater Profitlich sitzt neben einer denkbar kaltschnäuzigen Mutter Schrey auf glühenden Kohlen und schneidet eifrig Grimassen. Die absehbare Pointe, natürlich eine Verdrehung in Hallervord’scher Tradition, wird ausreichend beklatscht. Es folgt erneut Frau K. aus der ersten Reihe, deren fingiertes Handy fingiert durch den Saal schellt und alsbald durch ein mit der Bühne vertäutes Dosentelefon ersetzt wird.

Lieblich auch die zweite Nummer. Supernanny Schrey begutachtet die Szene „alleinerziehender Vater und Sohn bei Tisch“, ein Sketch, der kein Klischee auslässt, solange es nur mundgerecht und magenschonend ist, der in seiner Schlichtheit genauso platt und harmlos endet, wie er beginnt. Die Präsentation hingehen ist hübsch, auch einige Spezialeffekte (Szenenstopp, Zeitlupe) sorgen für kurze Lacher.

Tagebucheintrag:
FKK mit Bernd.
Auf dem Balkon, Anzeige,
am Strand, Anzeige,
auf der Suche nach einer Adilette in nem Cafe, Anzeige.

Nach etwa einer Viertelstunde ist das Warm-Up geschafft. Das Publikum ist gewonnen, das Strickmuster der Sketche klar. Ein plump überzeichnetes Figurenduo /-trio hangelt sich durch komödiantisch arrangierte Alltagsszenen, tauscht dünne Dialogzeilen und ausufernde Gesten, bevor das Ende dem Ganzen einen Spin aufsetzt und mindestens einen der Beteiligten als pudel-begossenen Verlierer dastehen lässt. Ob es der Sketch im Lehrerzimmer ist (Schulangsthase beim Elterngespräch), oder jener auf der Autobahn (dümmlicher Boxer versteht nichts), ob es der Bofrost-Hausierer ist (massenmordende Rentnerin), oder das Blind-Date auf der Parkbank mit Mr.-Bean-Pantomimen. Stets treiben die Dinge erfrischend eingleisig und weithin erwartbar auf eine Pointe zu, die man kennt und über die Jahre lieb gewonnen hat.

Tagebucheintrag:
Markus‘ Appetitlosigkeit,
mehr als drei halbe Hähnchen geht nicht.
Nachbarin Christiane bemerkt seine Liebe nicht,
trotz Fernglas.

Höhepunkte, tja. Sie sind spärlich gesät. Den Auftritt des friesischen Komponisten Hauke Hein (Profitlich), der „Dat Watt für Deichschafe“ uraufführt und das Publikum dazu in vier muhende „Herden“ einteilt, könnte man dazu zählen. Ebenso die gefällige Tanzeinlage, in welcher Elton Johns „crocodile rock“ hinreichend verballhornt zu einem netten Sketch verwurstet wird. Doch auch hier gilt: Es handelt sich um waschechte Gaga-Comedy nach bekanntem Muster, grundweg sympathisch, ungefährlich, in sich stimmig und makellos fade.

Tagebucheintrag:
Markus ist volljährig.
Sucht sich eine Wohnung,
die Platz für sein Kinderbettchen hat.
Sucht eine Frau per Inserat.

Mensch Markus. Ist echt komisch. Aber alles, und zwar durch die Bank weg, schon mal da gewesen. Ist die Zweit- und Drittverwertung längst vergangener Pointen und schwer angestaubter Motive. Nach Rezept verkocht zu her- und bekömmlichen Gags, wie man sie aus der Sit-Com-Branche kennt: Anständig, unverfänglich, ausdauernd gewöhnlich, anhaltend nett, grundsympathisch.

Mensch Markus. Keine Frage, manchmal ist so was lustig, für ein echtes Bühnenprogramm reicht das aber nicht.

Ein Gedanke zu „MARKUS MARIA PROFITLICH, 09.11.2010, Theaterhaus, Stuttgart

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