DENDEMANN, 14.10.2010, LKA, Stuttgart

Dendemann

Foto: Andreas Meinhardt

Ich bin ja kein HipHopper, aber für Dendemann mit Band im LKA schnüre ich gerne mal wieder die Run DMC-Gedächtnisstiefel und mache mich auf den Weg nach Wangen. Mit dem deutschen Sprechgesang ist das ja so eine Sache, wer hier einen auf Gangster oder Ghettokrieger macht, der ist einfach ein posender Hampelmann. Dass die Tradition im deutschsprachigen Raum eine ganz andere ist, sieht man, wenn man in die Musikgeschichte reinhört.

Wer waren denn die ersten? Keiner kennt sie mehr. G. L. S. United haben uns 1980 mit dem Sound vertraut gemacht. Das waren Goldbär Thomas Gottschalk und die Fernseh- und Funkjournalisten Manfred Sexauer und Frank Lauffenberg mit ihrem göttlichen und leider einzigen Track Rappers Deutsch ging’s damals los. Dann kam Falco und der Rest ist Geschichte. Im sauerländischen Wickede hat’s irgendwann den kleinen Dendemann erwischt. Der kapierte ganz schnell, dass HipHop in den USA zwar „das CNN der Schwarzen war“ (Chuck D / Public Endemy), in der BRD aber eher YPS für Schnellsprecher aus der Reihenhausanlage sein musste, und ganz andere Themen abzuarbeiten waren. Wo brennen bei uns auch bitte Mülltonnen? Dass es hier trotzdem um Inhalte geht, und Hip Hop auf Deutsch wirklich bestens funktioniert, hat niemand so oft und so virtuos bewiesen wie der Mann, der heute auf der Bühne steht.

Pünktlich um 21:05 beginnt der Mannschafts-DJ im Klub mit einem Aufwärmset. Bei internationalen und lokalen Hits kopfnickert sich das Publikum fröhlich ein. Jeder kennt’s und die Stimmung ist gut. Eine halbe Stunde später betritt der Zeremonienmeister die Bühne mit dem Rest der Band. Der Trommler, der uns später als „Dönerwade“ vorgestellt wird, füllt dem Raum hinter seinem Beckenwald wie ein Trucker sein Führerhaus, der Mann am Fünfsaiter trägt einen Bundeswehrtrainingsazug und weiß genau warum, kurzbehost und kariert ist der Mitspieler an den Tasten und am Umhängeklavier, und der Mann mit der Flying V sieht nicht aus wie Rudolf Schenker, eher wie Christoph M. Orth mit Schnauz und Ballonseidenhösle. Dendemann schaut aus, wie der Mofabastler von der Bushaltestelle in Deinem Vorort der achtziger Jahre, bloß trägt man die Röhrenjeans jetzt im Baggystyle und zeigt den boxerbehosten Bobbes. Ob er das goldene Fanta Vier-Medaillon nur heute in Stuttgart trägt, oder ihm Flavor einfach noch keinen Umhängewecker geschenkt hat, das wüsste ich wirklich nur zu gerne.

Dendemann

Foto: Andreas Meinhardt

Laut isses! Ich bin sehr froh über meine demoerprobten Ohrstöpsel! Der Sound im LKA ist astrein. Nach und nach vespert der Mann drei Mikros auf, und die Masse ist glücklich. Um mich rum gehen alle ab wie Schnitzel, und auffallend textsicher sind sie. Donnerwetter, bei dem Hochgeschwindigkeitsrap von der Bühne bin ich beeindruckt über meine Umgebung. Aber dass wir es mit richtigen Fans zu tun haben, wird mir spätestens klar als beim Hit „Nichtschwimmer“ zwei kräftige Buben ihre mit Schwimmflügeln ausgestatteten Damen auf den Schultern tragen.

Immer wieder bricht der Heavy Metal durch, und der fingerpickende Gitarrist könnte auch jede Europe-Revival-Band an die Wand hauen. Als dann der Bassist und der Umhängekeyboardspieler noch mitpogen, und nachher alle am Boden liegen, ist sogar der Scheff beeindruckt und geht seinen Männern besser aus dem Weg, um nicht ebenfalls unter die Räder zu kommen. Wir kriegen richtig was geboten. Der Schlagzeuger und der DJ versuchen sich gegenseitig musikalisch abzuschlachten, mit launigen Ansagen werden wir zwischen den Stücken bestens unterhalten, auf Wunsch gibt’s was von den alten Hits, und als die Band Pause hat, gibt der Sprechsänger mit seinem DJ im Duett halt ganz traditionell alleine alles.

Dendemann ist übrigens der wohl einzige Rapper, der wo den schwäbischen Relativsatz so gut wie sein hiesiges Publikum beherrscht und es irgendwie mit dem Konjunktiv hat. Nach zwei Zugaben sind wir alle zufrieden, und dass die Mannschaft nach über zwei Stunden Vollgas mal eine Pause braucht, das versteht hier jeder. Zu Ende musste der Spaß aber noch lange nicht sein, Dendemann fordert alle auf, es ihm gleich zu tun und den Abend in der Schräglage in der Stadt ausklingen zu lassen. Den Drink danach hatten sich alle reichlich verdient. Knorke war’s! Weiterrocken, Wiederkommen, Dankeschön!

Und für alle, die bis hier unten gelesen haben, gibt’s jetzt noch ein Quiz. Oben ging es ja um die allerersten deutschen Hip Hopper, Stuttgarter und -innen müssten eigentlich ganz genau wissen, wer denn den ersten Reggae-Song auf Deutsch sang? Schreibt’s in den Kommentar, zu gewinnen gibt’s nix, hier geht’s um die Ehre. Ich bin schon ganz gespannt, wer’s wohl weiß!

7 Gedanken zu „DENDEMANN, 14.10.2010, LKA, Stuttgart

  • 16. Oktober 2010 um 12:56 Uhr
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    wenn der erste deutschsprachige Hip Hop Song vom T. Gottschalk war, dann war der erste dtschspr. Reggae-Song bestimmt was vom Kaliber Hallervorden oder sowas…??

  • 16. Oktober 2010 um 19:27 Uhr
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    Tscha mein Lieber, knapp daneben ist auch vorbei. Guter Ansatz! Grüße vom Berg. ;-)

  • 18. Oktober 2010 um 12:42 Uhr
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    nö, der war’s nicht. einen Versuch habt Ihr noch.

  • 18. Oktober 2010 um 12:54 Uhr
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    Hans Söllner

  • 27. Oktober 2010 um 12:38 Uhr
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    Jetzt muss ich mal auflösen. Wolle Kriwanekt hat uns diese wunderbare Perle des Dialektreggaerocks geschenkt und ohne ihn gäbs koi Seed ond älle andern net. Hier isch’s zom Neihöra:
    https://www.youtube.com/watch?v=w-MkUYxmbDU

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