ANNIHILATOR, 07.10.2010, Rockfabrik, Ludwigsburg

Annihilator

Foto: Steffen Schmid

Gibt es eine schöne, vulgäre Beleidigung, um Leute zu diskreditieren, die wegen nur einem Song, am besten populärer Hit, auf ein Konzert gehen? Falls ja, darf man mich heute Abend gerne so bezeichnen. Aus seligen (na ja…früher war alles besser…NOT!) Hard’n Heavy Zeiten auf Tele 5 kenne ich noch Alice In Hell von Annihilator. Das Stück gefiel mir so gut, dass ich es mir damals auf eine Kassette überspielte. Völliger Frevel eigentlich, nur ein Stück, nicht das ganze Album, ging gar nicht. Und wegen diesem Song also, nach über 20 Jahren, mal wieder in die Rofa. Mein letztes Konzert hier dürfte 1988 Yngwie Malmsteen gewesen sein.
…was das bisherig geschriebene alles über meine Kredibilität für heute Abend aussagt, ich möchte es gar nicht wissen.

Zur Konditionierung der für Thrashmetal zuständigen und seit Urzeiten brachliegenden Hirnareale, höre ich mich durch Dark Angels Darkness Descends und Possesseds Seven Churches (Danke Ali!) durch, quasi Training. Geht doch, hab ich Bock auf den Sound. Bin ich also nicht nur aus schicken Retrogründen hier.

Sworn Amongst

Foto: Steffen Schmid

Sworn Amongst ist die erste Band die wir, Toxic hat sich noch spontan entschlossen mitzukommen, an diesem Abend so richtig wahrnehmen…positiv wahrnehmen, sehr sogar. Bin ja mit meinem Metal-Subgenre-Schubladen irgendwo Anfang der 90er stehen geblieben, und sag deshalb, altbacken wie ich bin, das ist Thrash-Metal für mich. Die Songs gefallen mir auf Anhieb, ebenso die sehr guten Riffs, sowie das saubere, druckvolle Zusammenspiel. Obwohl die Musik teils sehr komplex ist, kommt sie doch immer wieder auf den Punkt.
Schön anzuschauen ist die Fingertechnik des Leadgitarristen, man könnte fast schon von Fingerposing sprechen. Elegant und filigran sieht das aus. Technisch sowieso super, wir sind ja hier im Metal.
Erstaunlich, dass der Sänger, der einzige mit langen Haaren im Quartett ist. Das hätt’s früher nicht gegeben. Bei der Gelegenheit fällt mir auch plötzlich ein lang verloren geglaubter Begriff wieder ein: Langhaar-Schlamper.

Annihilator

Foto: Steffen Schmid

Annihilator fangen pünktlichst um 22 Uhr an, und das lässt sich sehr vielversprechend an. Klingt gleich mal nach Slayer der erste Song. Der Sound ist sehr gut, laut natürlich, aber auch sehr klar. Jeff Waters, der Mann, der Annihilator ist, versprüht Sympathie und gute Laune. Zwinkert ins Publikum, zieht Grimassen bei den Soli, geht ab wenn er abgehen muss. Riesencharisma! Toxic meint, dass bei Metal mehr Hass und Wut rüberkommen muss von der Bühne, aber mir gefällt’s.
Der zweite Song haut in die gleiche, schnelle Kerbe rein und überzeugt mich ebenfalls total. Fast noch mehr überzeugen mich die Dioden in Jeffs Gitarre (Flying V, Ehrensache!). Sie leuchten mal blau, mal rot, sind im Gitarrenhals und bei den Drehschaltern versenkt. Das Auge isst bekanntlich mit, und mir gefällt so Schnickschnack sehr!
Das dritte Stück toppt noch mal das bisherige: King Of The Kill heißt der Kracher.
Eine feine Band hat er sich da übrigens zusammengestellt. Junges Blut, aus allen Windesrichtungen (der Schlagzeuger kommt wohl aus Italien wenn ich’s richtig verstanden habe), die ihre Instrumente natürlich super beherrschen, aber auch tight zusammenspielen. Trotz allem Thrashmetalgeprügel hört man immer eine hohe Musikalität heraus.

Annihilator

Foto: Steffen Schmid

Nach einem fulminanten Double-Bass Intro kommt der erste Midtemposong Betrayed Like A Rat. So langsam glaub ich’s, die Band hat einen Haufen super Songs, warum haben die nicht einen Status mindestens in der Kreator-Liga? In der Rofa, die sich mittlerweile doch gut gefüllt hat, haben sie auf jeden Fall das Publikum auf ihrer Seite, das zu Recht begeistert ist.
Eine weitere Tempodrosselung gibt’s mit dem leicht schrägen The Box, und auch Hell Is A War bleibt eher langsam, aber nicht langweilig.
Nach einem kurzen Solo-Gefiddel auf der Gitarre meint Jeff, dass jemand von der Crew so Zeug immer „wanking“ nennen würde, und jetzt gäbe es gleich mehr „wanking Annihilator style“. Was folgt ist der schnelle Thrasher Ultra-Motion. Supergeiler Scheiss, genauso hab ich mir das vorgestellt. Welcome To Your Death ist ebenso ein Nackenbrecher. Metal à la carte!

Nun kommt ein Balladenteil, den Jeff als Bon Jovi-Part ankündigt. Phoenix Rising wird auch gespielt. Hier können die Jungs zeigen, dass sie auch die leisen Töne sehr gut beherrschen, Stichwort: zweistimmige Gesänge. Beeindruckende Spannbreite, lockert das Set auch auf, aber wegen mir hätte es nicht unbedingt sein müssen.

Als Ausgleichsmaßnahme gibt’s wieder was schnelles hinterher, das famose Tricks & Traps. Beeindruckend ist wirklich die Spielfreude der Band, v.a. wenn man bedenkt, dass der gute Herr Waters Annihilator schon 1984 gegründet hat. Wirklich faszinierend!
Weiterhin toll bleibt auch die anhaltend hohe Qualität der Songs. Ich kannte ja wirklich vorher nur ein-zwei Songs der Band, aber auch Phantasmagoria ist auf Anhieb ein geiles Stück schnellen Metals.

Am Ende wird die Band 105 Minuten auf der Bühne gestanden, und mich glücklich mit Alice In Hell rausgeschmissen haben.
Warum sagt einem denn auch niemand, dass man mehr Thrash-Metal hören muss? Man kann doch nicht immer an alles selber denken?

Annihilator

Sworn Amongst

2 Gedanken zu „ANNIHILATOR, 07.10.2010, Rockfabrik, Ludwigsburg

  • 8. Oktober 2010 um 09:44 Uhr
    Permalink

    (Hochgewimmert): „Meeeetaaaal is foreeeever“.
    Nice work Jungs, dass Ihr Euch noch am frühen Morgen diese Arbeit gebt – dazu fällt mir folgendes ein: \m/

    Das mit Wut und Hass hab ich wirklich gesagt?
    Kann ich mir nur mit eventuellen Hassverstärkern erklären, die in der Rofa ins Bier gemischt werden.
    Rückblickend fand ich den kumpelhaften Thrash-Style doch sehr sympathisch, freue mich aber trotzdem noch mehr auf das Todes-Metall-Festival am 23.10..
    (Hochgewimmert): „Meeeetaaaal is foreeeever“.

  • 10. Oktober 2010 um 12:43 Uhr
    Permalink

    War echt ein geiles Konzert. Vielen Dank für den Bericht!

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