MELT-BANANA, 01.09.2010, Stuttgart, Schocken

Melt Banana

Foto: Steffen Schmid

Die sympathisch-durchgeknallten Japaner namens Melt-Banana sind mal wieder zu Gast in Stuttgart. Nach deren Zählung zum dritten Mal, mir kommt es vor, als wären sie noch öfter bei uns aufgeschlagen. Vielleicht schaffen es Melt-Banana aber auch tatsächlich im Gegensatz zu vielen anderen Bands, zwischen Schorndorf und Stuttgart zu unterscheiden, und die Manufaktur-Auftritte wurden nicht mitgezählt. Japaner – Zahlenmenschen.

Zu Melt-Banana weiß ich – ohne bei Wiki zu schauen – , dass die Band seit ca. 10 – 15 Jahren ihren ziemlich einzigartigen musikalischen Terror in Form von diversen Alben und noch viel diverseren Splits sowie durch fleißiges Touren unters interessierte Alternative-Publikum bringt. Prominente Namen zieren den Weg der Band, wie z.B. Steve Albini (als Produzent), John Zorn (Veröffentlichungen auf dessen Label Tzadik) und natürlich darf Mike Patton nicht fehlen, der mit seiner Band Fantômas eine mini Split (im wahrsten Sinne des Wortes) mit den Japanern veröffentlicht hat, und, soviel ich weiß, Freund, Fan und Förderer der Band ist.

Zunächst wirkt das vor dem Schocken wartende Publikum erschreckend dünn, im Sinne von wenig. Zum Konzertbeginn haben dann glücklicherweise noch einige den Arsch hockgekriegt, und das Schocken ist ungefähr in dem Maße gefüllt, wie es häufig bei avantgardistischen Underground-Bands der Fall ist.

Am Beginn der Show steht ein zähes ca. 10-minütiges Intro, das nur Frontfrau und Gitarrist absolvieren. Im Dunkeln  mit Stirnfunzel und Effektgeräten ausgestattet, wird dem Publikum einiges abverlangt, eine Dosis Noise, die man ein gesamtes Konzert sicher nicht ohne bleibenden Schaden überstanden hätte. Gitarrist Agata (jetzt doch Wiki), der seinen in Tokyo vermutlich unverzichtbaren Atemschutz – wie immer auf Tour – schon gar nicht mehr abnimmt, verwendet für seine Lärmspielchen eine offenbar moderne Version der Ätherwellengeige oder Theremin (wobei ersterer eindeutig der bessere Begriff ist), und simuliert verblüffend gut eine E-Gitarre und andere Lärminstrumente. Befürchtungen, dass er das Gerät gegen seine Gitarre eingetauscht hat, treffen zum Glück nicht zu.

Melt Banana

Foto: Steffen Schmid

Es folgt nämlich ein klassisches Melt-Banana-Konzert mit allem was dazugehört. Das ist in erste Linie das einzigartige Gitarrenspiel und Agata, der wie immer in einem Halbkreis aus zig Effektgeräten steht, und seiner Gibson Töne entlockt, wie kein Zweiter. Begonnen wird mit einem Stück aus dem extrem gelungenen 2003er Album „Cell-Scape“. Ohne dass ich jetzt sämtliche Alben der Band kenne, kann ich diese Platten jede(r)(m) empfehlen, der Lust hat die Band kennen zu lernen – nur Kracher und für MB-Verhältnisse auch durchgängig anhörbar. Das wissen die auf der Bühne auch, denn die Stücke aus diesem Album ziehen sich wie ein roter Faden durch das Set. So muss das auch sein, schön, wenn eine Band ihre Sternstunden erkannt hat und die Hits spielt. Nichts schlimmeres, wie ein Konzert, auf dem diese bewusst oder auch unbewusst ausgelassen werden. Es macht wieder richtig Spaß, sich das Spektakel anzuschauen, zwischen den Effekteskapaden schlägt Agata immer wieder ganz simple 3 Akkorde an und sofort geistert der „Punk“ durch den Raum, sehr sympathisch. Ein wenig störend ist aber, dass die Abmischung nicht so ideal ist, denn erst nach der Hälfte der Show ist die Sängerin zum ersten Mal richtig zu hören.

Es gibt noch eine Zugabe für’s anständige und teilweise tanzende Publikum, die aus sehr vielen, sehr kurzen Songs besteht.

Arigatou. Das ist japanisch.

3 Gedanken zu „MELT-BANANA, 01.09.2010, Stuttgart, Schocken

  • 3. September 2010 um 22:00 Uhr
    Permalink

    Das die eine Split mit Fantomasgemacht haben schreckt mich ein bisschen ab (die mag ich gar nicht), aber sonst hört sich das alles sehr interessant an. Muss man das Label „Tzadik“ kennen oder gar diesen John Zorn? Grüße Vulcano

  • 4. September 2010 um 11:48 Uhr
    Permalink

    An Günther: Sehr richtig, wer auf diese Art von Jazz steht, der muss ihn kennen, ein Rofa-Typ wie Du kann ihn ruhig links liegen lassen.
    Auf „Tzadik“ wird halt viel krudes Zeug veröffentlicht, z.B. auch einige von den gefühlten 1000 Patton-Projekten.
    „The Director’s Cut“ von Fantômas könnte Dir aber auch gefallen.
    Ein Gruß.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.