SPEED DATING MIT NAGEL & VOLKMANN, 18.05.2010, Keller Klub, Stuttgart

Volkmann & Nagel

Foto: Steffen Schmid

Irgendwann hört man einfach auf, sich zu fragen und nimmt es eben so hin: Wieso bleiben 98 Prozent der Künstlerinnen und Künstler, die einem besonders viel bedeuten, eigentlich komplett unter dem Radar von allen anderen Leuten? Linus Volkmann (Foto links) ist so ein Fall: Veröffentlicht Texte und Bücher seit mehr als zehn Jahren, ist ungefähr genauso lang Redakteur beim Kölner INTRO Magazin, hat vorher schon die herrlichsten Pop-Fanzines herausgegeben („Komm Küssen“) und wer ihn und seine Kunst kennenlernt, kommt nicht drumherum ihn zu lieben. Aber es kennen ihn komischerweise immer noch verhältnismäßig wenige bzw. der Mainstream nicht. Das mag vielleicht daran liegen, dass ein Redakteurs-Vollzeitjob doch zu wenig Zeit lässt für ausführliche Lesereisen oder der Mainzer Ventil-Verlag, bei dem Volkmann veröffentlicht, eben nicht zu den Verlagen gehört, die man im deutschen Feuilleton auf dem Zettel hat. Man weiß es nicht.

Mit seinem neuen Roman „Endlich Natürlich“ (Lang-Titel „Wie sehr muss man sich eigentlich noch verstellen, um endlich natürlich rüberzukommen?“) ist Volkmann derzeit auf Lesereise, flankiert vom nicht weniger sympathischen Pop-Autor Nagel, der früher Frontmann der Band Muff Potter war.  Der Keller Klub ist bestuhlt und für eine Lesung am Dienstagabend angenehm gefüllt. Auf grünen Plastikstühlen sitzen erstaunlich junge Stuttgart-People im Kursstufenalter, Überschneidungen mit der Kaputtraven-Klientel sind wahrscheinlich. Bravo, die jungen Leute haben Geschmack. Als Intro läuft ein vorgebliches Grußwort vom Stuttgarter OB Schuster (in Wirklichkeit ist Nagels verfremdete Stimme zu hören), in dem in einer stoischen minutenlangen Aufzählung Zuschauerinnen und Zuschauer aus allen zweihundertfünfzig Stuttgarter Stadtteilen begrüßt werden, gipfelnd im leidenschaftslosen Slogan „Stuttgart 21 über alles“. Die ersten Lacher sind gesichert. Volkmann und Nagel sind mit Laptop und Beamer ausgerüstet und projizieren zwischen den Lese-Parts selbst gedrehte Kurzfilme und exklusive Privatbilder. So darf man Nagels besten Freund Brami auf verschiedenen Aufnahmen kennenlernen, dessen Porträt Nagel sogar auf die Fessel tätowiert hat. Die Tätowierung wird  natürlich auch live vorgeführt, Ehrensache. In unterschiedlichen Show-Elementen wird der Speed-Dating-Gedanke des Abends aufgeriffen, aber das täuscht nicht über die unübersehbare Tatsache hinweg, dass Nagel und Volkmann sich allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz schon ziemlich gut kennen. Und das ist natürlich auch gut so, gezwungene Blind Dates braucht ja auch kein Mensch. Viel schöner und interessanter ist es, zwei liebenswerten Herrschaften zu zuhören, die launige Texte vortragen, gut miteinander harmonieren und sich in der Konversation gekonnt die Bälle zuspielen. Geraucht wird übrigens während des Vortrags, dass Alt-Kanzler Helmut Schmidt seine  helle Freude hätte, nämlich viel. Auch wenn Nagel und Volkmann einvernehmlich einräumen, dass Zigaretten eigentlich erst ab der siebzigsten oder achtzigsten am Stück gut schmecken, wenn überhaupt.

Im Anschluss an die Lesung darf am Büchertisch eingekauft werden. Ich freue mich sehr, viele kluge Mädchen in der Signier-Schlange zu sehen. Generation Y, ihr seid toll. Vielleicht wird’s ja doch noch was mit dem Linus-Volkmann-Mainstream-Durchbruch, ich möchte meine Generation und die nachfolgenden nämlich ungern ausschließlich von adligen Internatsschülern und Luxus verwahrlosten Bildungsbürgerkids repräsentiert sehen.

16 Gedanken zu „SPEED DATING MIT NAGEL & VOLKMANN, 18.05.2010, Keller Klub, Stuttgart

  • 19. Mai 2010 um 11:20 Uhr
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    Die Vita von Herrn Nagel auf Ex-Frontmann von Muff Potter zu reduzieren, ist ja allerhand. Dieser Mann war immerhin schon Kanzlerkandidat!!!

    Grüße,
    Ali

  • 19. Mai 2010 um 11:46 Uhr
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    Ali, das ist ein anderer Nagel! Karl Nagel vs. Thorsten Nagelschmidt.

  • 19. Mai 2010 um 13:17 Uhr
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    kluge mädchen stehen nicht in „signier-schlangen“

  • 19. Mai 2010 um 13:25 Uhr
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    @ Lino: Darum sieht er so jung aus…. Verdammt!

  • 19. Mai 2010 um 14:45 Uhr
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    Ich hoffe der Finger von Herr Volkmann ist nicht mit seinem Auge verwachsen, dann könnte er damit nämlich nicht viel machen und wäre zwangsweise Linkshänder, der Arme.

  • 19. Mai 2010 um 16:41 Uhr
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    @Da Dude: warum genau nochmal?:)

    Weiß noch jemand wie der Thomas D. Diss vom Linus V. genau lautete?

  • 19. Mai 2010 um 22:06 Uhr
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    Haha, klasse Foto! Aber hattet Ihr nicht auch ne Videokamera dabei?

    Und krass, hat Linus das KommKüssen gemacht? Wußte ich gar nicht (mehr?)…

  • 20. Mai 2010 um 09:27 Uhr
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    @Thomas: Er hat „komm küssen“ zumindest mitgemacht. Beeindruckend finde ich auch, dass die damals schon CDs dem Heft beigelegt haben. Die Bandauswahl konnte sich sehen lassen: Sportfreunde Stiller (fand‘ ich damals wirkich gut … schäm…), Erobique, Tomte, die Sterne, Andreas Dorau, und die von der SPEX verissenen Samba (fand ich auch gut … rot werd‘) … und für Cathrin: TÄRÄÄÄÄÄÄÄ: SUPERSTOLK 2000, YEAH!!!!! … und viele viele mehr.
    Ausserdem war das Hamsterdesign ein Meilenstein in der CD-Cover-Gestaltung.

  • 20. Mai 2010 um 09:41 Uhr
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    Sportfreunde Stiller fand ich auch toll, Samba fand ich auch super, außerdem John wer bist Du denn? Wir sind doch eindeutig füreinander bestimmt :) Und Thomas, Video kommt gleich. :)

  • 20. Mai 2010 um 09:46 Uhr
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    ich glaub, die Dani hätte was dagegen, dass Du ihr den Vulcano wegnimmst;-)

  • 20. Mai 2010 um 10:14 Uhr
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    zwischen vulcano und mir, das ist eher so ein thomas gottschalk/ michelle hunziker ding ;) AUSSERDEM WUSSTE ICH DAS DOCH NICHT, DASS DAS VULCANO IST!! manno. ;)

  • 20. Mai 2010 um 14:40 Uhr
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    Also für Samba braucht man nicht rot werden. Total unterschätzte Kapelle die imho mehr Respekt verdient hätte… (die Sporties auf der anderen Seite… wobei die früher™schon besser waren =)

  • 20. Mai 2010 um 15:26 Uhr
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    @john: Hab extra in den alten gegraben, da war tatsächlich Linus dabei. Und der, der zuvor das wunderbare „Backspin“ gemacht hat.

    Sportfreunde Stiller fand ich damals auch gut. Und später – bis zu diesem unsäglichen 54-74-whatever-Scheiss – zumindest noch erträglich.

  • 20. Mai 2010 um 17:55 Uhr
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    Auf dem ersten Komm Küssen-Sampler waren ja auch Splendid mit „Supergroupie“. Toll!
    Auf indiepedia.de steht was Tolles: „Ihr Video zu „Sommermädchen“ lief ein einziges Mal auf VIVA.“

  • 21. Mai 2010 um 21:57 Uhr
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    Echt klasse Fotos und schönes Videointerview. Gibts noch mehr Fotos?

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