SIVERT HØYEM, 12.04.2010, Universum, Stuttgart

Sivert Hoyem

Foto: Steffen Schmid

Als Vorbereitung mal kurz sinnieren, ob es so was wie einen norwegischen Sound gibt. Mal überlegen, was verbindet denn diese Bands soundtechnisch: der Stadionpop von A-ha, der enigmatische Psychoprogrock von Motorpsycho, der Popfolk der Akustiknerds von Kings Of Convenience, der intrumentale Elektro von Royksöpp, der ständig nach dem Durchbruch schielende Indie-Elektropop von Annie, der satanistische Faschoblackmetal der Kirchen abfackelnden Burzum?
Ich würde mal sagen: gar nix! Gut so, Nationenklischees nerven eh.

Mein nächstes Klischee wird auch gleich über Bord geworfen. Im Vorprogramm spielt der Organist und Gitarrist der Hauptband Christer Knutsen. Bei dem Namen war gleich das Bild eines blonden, nach Tran und Hafenbrack stinkenden Krabbenfischers vor meinem inneren Auge. Yo, fast. Auf der Bühne steht ein slimmer Super-Beau, Typ verschollener Gitarrist der frühen Stones. Groupieprobleme, im Sinne von zu wenig, dürfte der nicht haben. Er spielt allein mit seiner E-Gitarre ein kurzes Set mit balladesken, leicht folkigen Rocksongs. Wäre er nicht so furchtbar sympathisch, und die Songs nicht so aufrichtig gefühlsecht (puuh, klingt jetzt wie Kondomwerbung, sorry!), wäre man stilistisch nicht so weit weg von Bon Jovi-Balladen. Konjunktiv, sind wir aber nicht. Viel verdienten Applaus gibt es für den schmalen Skandinavier.

Sivert Hoyem

Foto: Steffen Schmid

Sivert Høyem war ja Sänger der Indierocklegende Madrugada. Mir war seine Stimme bisher allerdings nur durch den Song Come On Home To Me auf dem Tributesampler Total Lee – The Songs Of Lee Hazlewood bekannt.
Zu hören gibt es heute Abend, wie beschreib ich’s am besten, Erwachsenenrock. Eigentlich eine Musikrichtung, die sich genau in der exakten Stilschnittmenge befindet, die mir gar nicht gefällt. Für Pop zu rockig, für Stonerrock zu weich, für Psychedelicrock zu straight usw. Wie toskanisches Brot, schmeckt nach gar nix ohne Zutaten. Die Zutat heute Abend, die es schmackhaft macht, ist die alles überragende, tief-sonore Stimme von Sivert Høyem. Unglaublich was so eine Überstimme alles ausmachen kann. Das Songmaterial ist natürlich auch nicht von schlechten Eltern, aber ohne diese das Universum füllende Stimme (galaktischer Satz!) würde ich bestimmt nicht so interessiert zuhören. Sie gibt den Songs Kraft, Gefühl, Spannung, Intensität. Wie alle guten Sänger hört sich die Stimme über das gesamte Tonspektrum immer gleich kraftvoll an, so dass man nie das Gefühl hat, es wäre Anstrengung mit im Spiel.
Die Band ist im übrigen tight eingespielt, und spielt sich souverän und dynamisch durch das mal balladeske, mal rockige Set. Am besten gefällt mir das von Madrugada stammende und mich an The Tea Party erinnernde, leicht orientalische Shadows/High Meseta. Wie gesagt, großteils wird einem Musikstil gefrönt, der nicht unbedingt so meins ist, aber wenn die Qualität so hoch ist, kann man nicht viel meckern. So vergehen die zwei intensiven Stunden inklusive massig Zugaben, ohne Anflüge von Langeweile bei mir, und bei den Fans sowieso nicht. Die feiern einen (halb-)legendären Sänger und seine grundsympathische Band zurecht ab.
Ein schöner Abend mit netten Leuten ist das hier.

7 Gedanken zu „SIVERT HØYEM, 12.04.2010, Universum, Stuttgart

  • 13. April 2010 um 14:43 Uhr
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    Huiiii mal wieder großartige Fotos Steffen :-)

    Lino, ich finde das hast Du gut geschrieben.

    WICHTIG: Ein schöner Abend mit netten Leuten ist das hier !!!

    Ansonsten finde ich „Erwachsenenrock“ gut das gefällt mir. Wobei es Dir ja normal nicht gefällt. Aber wie Du toll geschrieben hast, über all der Musik trohnt immer diese sensationelle Stimme die wirklich einmalig ist. Ich glaub wäre auch egal was er singen würde, es wäre einfach geil. Vielleicht mal dir Rap Parts bei Archive übernehmen ???

    Cheerio
    Chris

  • 13. April 2010 um 21:44 Uhr
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    wirklich gut geschrieben! …und dies kommt von einem eingefleischten madrugada/sivert-fan. :)

    kleine frage: ist shadows/high meseta wirklich noch aus madrugada-zeiten? der song ist doch auf der moonlanding-cd von sivert.

  • 13. April 2010 um 22:01 Uhr
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    @anke: da hast Du natürlich Recht. Meine Mitternachtsrecherche war da ein bisschen arg schlampig.
    Danke für das Kompliment und die Korrektur!:-)

  • 13. April 2010 um 22:03 Uhr
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    @ Anke….

    da hast du völlig Recht…ist der 7 Song ist auf der Moon Landing CD. Ich glaub da hab ich Lino was falsche erzählt im völligen Überschwang der Emotionen. Ich dachte erst da ist noch aus Madrugada Zeiten.

  • 13. April 2010 um 22:24 Uhr
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    alrighty, kein problem. ich hatte mich nur gewundert.

  • 14. April 2010 um 09:37 Uhr
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    „Come on home to me“ ist glaube ich das beste Cover auf dem Tribute-Album, gerade wegen der Stimme.
    Bitte sowas nicht erst NACH einem Konzert mitteilen, Du nennst Dich doch woanders „Dr. Love“, zeig wenigstens mal Kumpelhaftigkeit.
    Das kostet heute mind. 1 Wüsten-Bier.

  • 15. April 2010 um 06:31 Uhr
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    „Tran und Hafenbrack“ – großartig!

    Darf ich Dich Mr. Anglizismus nennen?

    ;-))

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