SAXON, 21.03.2010, LKA, Stuttgart

Saxon

Foto: Steffen Schmid

Nimm das, Zeitgeist! Sonntagabend, über 900 Männer und kaum eine Frau im LKA bei Saxon, dem britischen Metallflagschiff, das seit geschätzten 20 Jahren keine neue Idee mehr hatte, aber die Hallen immer noch anständig füllt. Heuer feiern sie ihr 30-jähriges Jubiläum. Guten Humor beweisen sie schon, bevor es richtig losgeht: Aus der Anlage schallt „Seek & Destroy“ von Metallica. Die haben ein paar ihrer gescheitesten und lässigsten Ideen für ihr Debüt „Kill ‚Em All“ damals von Saxon geklaut. Metallica sind heute ziemlich stinkreich und Megastars. Saxon blieb das irgendwie verwehrt: Ihren New Wave Of British Heavy Metal Kollegen Iron Maiden und Judas Priest mussten sie den Vortritt lassen.

Henry Rollins, auch immer gut für die ein oder andere Lektion, sagte mal: „Respektiere die Alten. Die haben mehr gesehen und wahrscheinlich mehr Leute verloren als Du“. Saxon wiederum sind alt. Sehr alt. Alleine schon der Anstand gebietet es, nicht näher nachzuhaken. Zum Beispiel inwiefern es komisch ist, wenn teils 60-Jährige Männer die alten Rock-Metaphern ausgraben, über Motorräder singen und eigentlich „Weiber“ meinen. Egal. Solche Schrullen sind die Narrenfreiheit des Alterns. Freuen wir uns alle irgendwann darüber.

Im LKA werden die Fäuste in die Luft gereckt, stolz die Saxon-T-Shirts spazieren getragen, es wird „HoiHoiHoi“ geschrien, geklatscht, schütteres Resthaar geschüttelt, sakrisch viel Bier getrunken und textsicher mitgejohlt, wenn die alten Kracher ausgegraben werden: „Wheels Of Steel“, „Strong Arm Of The Law“ oder „Heavy Metal Thunder“ zum Beispiel. Das war Thatchers England, das war der wirkliche Beginn von Heavy Metal. Kann man aber auch super dazu Motorradfahren, wenn man einen Führerschein hat  – „Motorcycle Man“-mäßig. Rollt gut.

Saxon

Foto: Steffen Schmid

Sänger Biff Byford, der irgendwie wie eine sehr nette alte Hexe aussieht, ist einer der ganz alten Schule. Da werden die Arme ausgebreitet, da wird sich regional ans Publikum rangeschmissen und so gesungen, dass selbst der besoffene Typ, der sich Ecke Bierstand am Geländer festhält, kurz aufsieht, weil er sich persönlich angesprochen fühlt. Klar, so agil wie damals, als Thatcher das Land ruinierte, ist bei Saxon keiner mehr. Bei den Gitarristen Paul Quinn und Doug Scarratt sorgt man sich, sie könnten irgendwie nicht heil vom Schlagzeugpodest runterkommen, das sie eben noch rampensaurockenrollmäßig bestiegen haben. Wie meine alte Katze Renate damals, Gott hab sie selig. Wenn ich die auf die Couchlehne gesetzt hatte, musste ich sie auch selbst wieder runterholen, weil sie es alleine niemals geschafft hätte. War aber eine gute Katze, die Renate.

Nigel Glockler, definitiv ein super Name für einen Schlagzeuger, ist wahrscheinlich auch ein netter, auch wenn er ab und an ganz schön holpert. Egal. Zusammenfegen und weiter. Heute wird hüftsteif standgerockt, von alten Tagen geträumt und Hit für Hit rausgehauen wie Sonderangebote bei Aldi. Dass keine Missverständnisse aufkommen: Abgehalftert ist das hier nicht, nur halt in etwa so spannend wie ein Opa, der immer wieder die gleiche Geschichte erzählt, sie nicht mal neu ausschmückt und manchmal halt stockt und stottert. Ein anständiger Mann ist er trotzdem, und die Geschichten – die sind gut. „747- Strangers In The Night“, „Crusader“ oder „Denim & Leather“ – Kracher allesamt. Nach 110 Minuten ist das Ding routiniert nach Hause geschaukelt. Ende der Geschichte.

7 Gedanken zu „SAXON, 21.03.2010, LKA, Stuttgart

  • 22. März 2010 um 09:11 Uhr
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    Setzer, wie kann man eine Katze denn bitte Renate nennen?
    Und jetzt als nächstes warten wir gespannt ob nicht Def Leppard auf Tour kommen…

  • 22. März 2010 um 09:23 Uhr
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    Katzen müssen vollwertige Mitglieder einer Lebensgemeinschaft werden. Das funktioniert nicht mit Kosenamen wie Sandy, Pussy oder Lilly. Angelika, Helga, Schwamm oder Top Terrorist Carlos … das sind Namen für Katzen.

  • 22. März 2010 um 10:33 Uhr
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    Darüber, ob Renate tatsächlich eine gute Katze war, lässt sich bekanntlich vortrefflich streiten. Über den Text nicht. Mal wieder eine Perle – und jetzt ärgert’s mich doch, dass ich meinen Hintern mal wieder lieber auf dem Sofa gelassen habe. Na ja, vielleicht dann bei Krokus…

  • 22. März 2010 um 11:51 Uhr
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    neben der Band ohne Gehhilfe vergebe ich jetzt noch zwei Punkte:
    1. für die Bühnengröße des LKA Longhorn waren die Aufbauten und die Lightshow sehr gut (auch wenn das Hüpfen von den Raisern gewagt war).
    2. die Stuttgarer Support Band Big Ball war allein schon Altersmäßig cool. Wir waren auf mehr.

    Abzug in der B-Note gibt es für den Merchandise Stand direkt neben den Toiletten. Wann kapieren die das endlich?

  • 24. März 2010 um 19:06 Uhr
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    Hübscher Artikel von Michael – allerdings waren neben den 900 Männern doch auch einige jüngere und ältere Mädels mit von der Partie! Die Stimmung war allgemein gut (und hervorragend angeheizt von den AC/DC-Rockern) – ärgerlich nur, dass einige Unverbesserliche nur Spaß zu haben scheinen, wenn sie sich gegenseitig Bier und Wein einflößen (aus 1 m Abstand) und im Umkreis von 3 m alle in einer klebrigen Pfütze stehen.
    Noch ein Hinweis: Saxon spielen nach meinem Kenntnisstand dieses Jahr NICHT auf dem BYH in Balingen… nur zur Info für alle Wiederholungstäter!

  • 25. März 2010 um 07:31 Uhr
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    Saxon ist mir total unbekannt – der Bericht ist trotzdem mal allererste Sahne. Daumen hoch!

    Gruß …

    Jo

  • 19. November 2015 um 16:16 Uhr
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    Obwohl der Artikel schon einige Jährchen auf dem Buckel hat muss ich auch gestehen, dass mir die Band völlig unbekannt ist. Schließe mich auch dem vorigen Kommi an. :-) Hab auch reingehört! LG Ronalda

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