JEAN MICHEL JARRE, 09.03.2010, Porsche-Arena, Stuttgart

Jean Michel Jarre

Foto: Steffen Schmid

„Die Musiker von Kraftwerk wollten mit Maschinen den Menschen ersetzen. Ich habe da einen völlig gegensätzlichen Anspruch. Ich arbeite eher wie ein Maler, der auf ein abstraktes Bild Schicht für Schicht aufträgt. Ich vergleiche das Arbeiten mit Synthesizern gerne mit dem Kochen. Auch elektronische Musik kann fühlbar und organisch sein.“
– (tagblatt 03.03.2010)

Um es gleich vorweg zu nehmen. Faszinierendes Konzert in der Porsche Arena. Von der ersten Minute an kommt dieses Bladerunner-Feeling auf, die kühle Ästhetik der Elektronik beeindruckt, die klaren Linien der Synthie-Aufbauten und die riesige Leinwand dahinter reduzieren das Bühnenbild auf das angenehm Nötigste. Wenig lenkt von Maschinen und Musik ab, vor allem keine schwitzenden Menschen, die ihren Instrumenten mühevoll Töne abringen und ständig Sachen ins Publikum schreien. Weiß ja nicht, ob das ein Kriterium für ein cooles Konzert ist, dass Künstler nach einem Konzert genauso gut aussehen sollten wie am Anfang; hat aber Stil und kommt auf jeden Fall von nun an auf meine Checkliste.

Jean Michel Jarre

Foto: Steffen Schmid

Mag der Anspruch Jean Michael Jarres´, nimmt man das Anfangszitat, beim Komponieren ein anderer sein, doch die Hauptrolle beim Konzert spielen die Maschinen. Die Bühne wird eingenommen von Synthesizern, aufgeteilt in 3 x 3 Vierecke, inmitten jeder quasi Wagenburg ein Musiker verschanzt, Jarre besetzt das mittlere Viereck, das am nächsten zur Bühne steht – klar.
Mit den ersten blubbernden Bässen von Oxygene 1, bewegt sich Jarre von einem Synthie zum anderen, spielt hier ein paar Akkorde, dreht dort ein paar Knöpfe, wer wen dirigiert und spielt, ganz klar ist das nicht – bis zum Ende. Daran ändert auch Jarres Ansprachen an das Publikum und gelegentliches Vorstürmen an den Bühnenrand nichts. So entsteht einer der beeindruckendsten Momente für mich, als er die Bühne verlässt, um ein Akkordeon zu holen (wie man dann sieht), um den Track„ Chronology“ zu begleiten. Der Maschinenpark spielt indessen weiter, das Publikum geht mit und man hat das unbestimmte Gefühle, yeah, die Maschinen haben gewonnen und spielen jetzt erst richtig auf. Wenn elektronische Musik auch immer ein Stück weit eine Entfunktionalisierung des Menschen ist, dann wird das in diesem Moment sehr klar.

Und dann die Laserharfe. Überhaupt. Diese Vermengung von Licht und Töne gelingt den ganzen Abend – zu sehen, wie Jean Michel Jarre in die Laserstrahlen greift und damit Töne produziert, die sich einfügen in die Restmusik, ist schon geil. Kennen tut man die Titel alle. Schwer zu sagen, wo Pop anfängt, der Bombast zu viel wird – vielleicht auch doof, Sachen aus einem Zeitkontext zu reißen und dann viele Jahre später beurteilen zu wollen. Melodien, die man mitpfeifen kann, werden mir immer ein wenig suspekt bleiben. Doch für diesen Abend passt schon alles, Jean Michel Jarre ist ein Großer und alles andere auch. Elektronische Musik raus aus dem Laptopmief des Kinderzimmers in eine große Halle auf so ein Entertain-Niveau zu bringen soll ihm erst jemand nachmachen.

8 Gedanken zu „JEAN MICHEL JARRE, 09.03.2010, Porsche-Arena, Stuttgart

  • 11. März 2010 um 11:26 Uhr
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    cooles Konzert Kriterium Walter, kann echt nur von dir kommen…oder von deinem gig-blog Alter Ego Cat…appropos, Little Boots hat auch ne Laser-Harfe im Einsatz.

  • 11. März 2010 um 12:23 Uhr
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    och lino, jetzt verrate doch nicht allen, dass walter und ich in wirklichkeit ein- und dieselbe person sind!

    „Melodien, die man mit pfeifen kann, werden mir immer ein wenig suspekt bleiben.“ ahahahaha!! walt du weißt schon dass wir zwei im kosmos von lino als die unerträglichsten mitpfeifer aller zeiten gelten? ich weiß nämlich du pfeifst auch so gerne wie ich, vor allem im auto.

    schöner text! da wäre ich auch gerne gewesen.

  • 11. März 2010 um 20:29 Uhr
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    ich weiss ja nicht, wie das in berlin war, aber ich war in stuttgart. als fan der ersten stunde, und jemand, der jarre zuvor schon live erlebt hat muss ich sagen:
    ich kann verschmerzen, dass jarre auf der bühne rumhopft wie ein 20er auf speed, ich kann verschmerzen, dass die show eher durschnittlich war, auch wenn ein paar laser schon nette effekte abgeliefert haben, ABER:
    wenn jemand auf ein konzert geht, bei dem es vornehmlich um guten sound geht (dafür steht ja jarre: klang erlebnis pur), dann erwartet er mit sicherheit nicht annähernd so etwas. ich sollte fair sein, ich weiss ja nicht, ob der engineer/mixer wirklich die einzelsignale von der bühne bekommen hat, oder vielleicht mit kompletten submixes zu tun hatte, dann kann er ja nicht viel machen, aber wenn er die einzelsignale von jedem instrument auf dem pult hatte (wie das eigentlich sein muss), würde ich den engineer/mixer, der das gemischt hat, sofort entlassen. punkt. der sound war unter aller sau. sicher, die porsche arena ist sicherlich nicht besonders einfach in den griff zu kriegen, soundmässig, aber was da ablief, spottet echt jeder beschreibung. ich bin in der 20sten reihe gesessen, im hinteren viertel des flachen areals, kurz vor dem foh mixer (schätzingsweise 60.70 meter von der bühne entfernt, also ziemlich weit hinten), und mir haben die mitten aus dem line array system aufwärs von 1khz die birne zersäbelt. wie muss das wohl für die in den vordersten reihen gewesen sein??? ich bin extreme lautstärken in konzerten gewohnt, bin selbst jemand, der eher aufdreht, aber dann _muss_ es gut klingen, sonst tuts weh. fazit: es war erstens viel zu laut (und wenn ich das sge, dann heisst das schon was), und zweitens extrem schmerzhaft gemischt. so sehr ich jarre mag, aber dieses konzert hat meiner meinung nach absolut _nichts_ mit dem zu tun, was man bei einem jarre konzert eigentlich erwartet: einen sphärischen klang-ausflug in eine andere dimension. wirklich enttäuschend.
    der einzige lichtblick waren die alten, analogen instrumente. wann bekommt man schon mal 6 (!) eminent 310 auf einmal zu sehen?

  • 12. März 2010 um 00:44 Uhr
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    hi anja, danke für das herzliche willkommen!
    ich hatte dieses post in einen anderen blog gepostet, da gings um das konzert in berlin. dort is aber mein post nicht angekommen (weiss der geier warum nicht). ich habs kopiert und hier rein gepostet und vergessen, den berlin-schnipsel zu löschen …
    wie auch immer, ich liebe jarre, zumindest die ersten 3 alben, equinoxe, oxygene und magnetic fields … ach und oxygene 7-13 … naja, vielleicht hab ich auch zu viel erwartet … aber was den sound angeht: ich bin selbst wie der walther ercolino (btw, gruss!), der orginal poster hier, im musik geschäft, seit fast 3 jahrzehnten jetzt, ich mische auch bands live, und ich mags auch laut, richtig laut, ich bin kein genervter opa. aber wie gesagt, wenn man richtig laut machen will, _muss_ es gut klingen, das is ne eiserne regel, sonst schmerzt es, und das hat es … was da abging war echt soundmüll … jeder 13 jährige hätte das besser gemischt … und ich bin nicht ganz allein mit der meinung, jung wie alt haben sich um mich herum die ohren zeitweise zugehalten …weisst du, so ein line array system ist aus der natur heraus ziemlich giftig vom klang, da muss man halt echt aufpassen, was man macht als ton mann, und ein profi (und ich nehm an dass der ton mann vonn jarre sich so sieht) weiss man das auch. ich war schon auf unzähligen konzerten, von pink floyd über die fantas zu michael jackson, von loveparade bis mayday (und die war mal_richtig_ laut), die waren alle ziemlich laut, mal mehr mal weniger, aber bei keiner dieser veranstaltungen hats mir fast das ohr weggefetzt wie beim jarre in stuttgart und warum? weils gut geklungen hat. in meiner laufbahn als eifriger konzert besucher hab ich sowas echt noch nicht erlebt.

  • 12. März 2010 um 08:10 Uhr
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    @ cathrin : Wie jetzt? 3 Gemeinsamkeiten haben wir jetzt? Was geht? Muss sofort noch mal in Little Boots reinhören. Nicht, dass ich mich da total getäuscht haben… ☺

    @ bigtone : Haste schon recht, klar… Vor allem gegen Ende musst ich mir dann schon das eine oder andere mal bei einigen Passagen meine Ohren zuhalten, weil es echt unangenehm wurde…allerdings habe ich das wirklich nicht ganz so schlimm empfunden ( vielleicht meiner Sitzposition geschuldet ☺ )

  • 12. März 2010 um 20:07 Uhr
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    @walther: wo hast du gesessen? warst du weiter vorne? btw, wie gehts der dani? alles gut bei ihr? sagst ihr einen gruss, ja?

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