HURTS, 26.02.2010, Magnet Club, Berlin

Foto: Promo

Immer großartig:  Konzerte, die genauso wundervoll werden, wie man sie sich vorher zurechtträumt.

Theo Hutchcraft und Adam Anderson sind Hurts aus Manchester. Der Auftritt in Berlin ist erst ihr dritter oder vierter überhaupt (je nachdem, ob man ihren Kurzauftritt bei der Berlin Fashion Week Ende Januar mitzählen möchte oder nicht) und zumindest in meiner Welt könnte der Hype um die Band kaum größer sein.

Da tauchten Mitte 2009 zunächst an zeitloser Eleganz und Sinnlichkeit kaum zu überbietende schwarz-weiß-Aufnahmen des Duos im Internet auf (fotografiert von keinem geringeren als Überdesigner Hedi Slimane), dazu das berühmte 20-Pfund-Video zu Wonderful Life, kurze Zeit später kommt ein brillanter Uptempo Remix von Arthur Baker dazu (zu hören u.a. auf dem NME Radar 2010 Mixtape) und mit Blood, Gold and Tears ein weiterer grandioser Song inklusive stilsicherem schwarz-weiß Clip.

Hurts wirken entrückt und unnahbar, aber die sorgfältig inszenierten Posen sind nie abweisend oder elitär. Hurts ist kein Hipster-Projekt, das steht fest. Es geht hier nicht um in oder out, es geht um die Musik. Und die ist wundervoller, von 80er Italo Pop (genauer: Disco Lento) inspirierter Elektropop, die Art von Musik die man gut zuhause hören kann, die aber auch hochgradig tanzbar ist. Es geht um das, was gut ist an Pop, es geht um Schönheit und Liebe, Zärtlichkeit, Mitgefühl und Gemeinschaft. Da schreiben zwei seltsam aus der Zeit gefallene Männer, der eine jungenhaft schön (Anderson), der andere elegant und maskulin (Hutchcraft) berührende Popsongs über Liebe, dargeboten mit einem Pathos und einer Ernsthaftigkeit, die in dieser Konsequenz selten im Pop (oder überhaupt irgendwo) zu finden sind.

Das passt und funktioniert in einer Kirche in Manchester vor Fans und Freunden (dazu zählen u.a. popjustice.com-Macher Peter Robinson und Victoria Hesketh aka Little Boots) wo Hurts vor wenigen Tagen ihren offiziell ersten Auftritt absolvierten, aber passt das auch zur vergleichsweise unspektulären Indie-Location Magnet? Etwas besorgt sind wir schon, ob Hurts hier auf das Verständnis stoßen, das sie verdienen. Ein unsäglicher Warm-Up-DJ lässt allerschlimmstes befürchten, doch als der Auftritt von Hurts kurz bevorsteht, sieht es aus, als sei die Indie-Crowd auf Kurs. Der Laden ist gut gefüllt, das Publikum gemischt, einer hat Hurts bei der Fashionweek gesehen und ist deswegen wieder gekommen, ansonsten füllen vornehmlich diverse Briten und andere Touristen die vorderen Reihen. Bevor die Band auftritt, läuft Angelo Badalamentis Twin Peaks Soundtrack vom Band, auf der Bühne steht ein E-Piano mit Plexiglasständer und dann kommt endlich die Band. Hutchcraft und Anderson werden unterstützt von einem weiteren Keyboardspieler, einem Schlagzeuger und einem Backgroundsänger, der sich als Opernsänger herausstellt. Hurts spielen etwa acht Stücke, darunter die beiden bereits bekannten „Wonderful Life“ und „Blood, Tears & Gold“.

Hutchcraft singt, Anderson sitzt am Plexiglaspiano und die Freude an der Musik und am Auftritt vor Publikum ist beiden deutlich anzusehen. Hutchcraft kann den Bemühungen um eine unbewegte Miene zum Trotz ein gerührtes Lächeln angesichts des frenetischen Jubels, der immer wieder losbricht kaum unterdrücken, Anderson applaudiert dem Publikum dankbar zurück. Diese beiden Männer strahlen eine Bescheidenheit und Würde aus, die so wohltuend und herzerwärmend ist, wie man es im besten Falle von Seelsorgern erwarten würde. „Don’t let go, never give up, it’s such a wonderful life“. Wer mag, darf das grenzenlose Naivität nennen, ich nenne es Wahrheit, Heilung, Trost. Selten hat mich eine Musikgruppe berührt wie diese beiden. Mehrfach breitet Hutchcraft die Hände aus wie beim Segen in der Kirche. Das wirkt manchmal fast schüchtern, als zögere Hutchcraft eine Pose einzunehmen, die ihm nicht zusteht. Immer wieder dreht er außerdem einen Kamm in den Händen, ein fast schon trademarkhaft einstudierter Tick, der trotz der eindeutigen Künstlichkeit nicht aufgesetzt wirkt.

Zugaben gibt es keine, das Konzert ist kurz und endet pünktlich. Das Album, das im August erscheinen soll, erwarte ich mit großer Vorfreude und Spannung. Schwer zu sagen ob diesen beiden besonderen Menschen ein Mainstreamdurchbruch gelingt. Ein großes Glück für die Popwelt wäre es.

17 Gedanken zu „HURTS, 26.02.2010, Magnet Club, Berlin

  • 27. Februar 2010 um 20:10 Uhr
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    erwähnenswert noch, dass die Autorin mit Abstand die energievollste Tänzerin im Publikum war.

  • 27. Februar 2010 um 22:17 Uhr
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    Mist, ebenso verpasst wie am 11.2. NORTH (wohl die neue Band von Astrid North, ehem. Cultured Pearls, Soullounge etc).
    Auch deren neue Songs hören sich sehr sehr klasse an.

  • 1. März 2010 um 10:34 Uhr
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    ich fand das konzert mega ätzend. 30 min auftritt und langweilige performance. ok, ich wurde von meiner freundin mitgeschleppt und wollte mich als „nicht-fan“ überraschen lassen – aber das war mehr als enttäuschend. musikalisch langweilig (meine das subjektive meinung) – sowas hab ich schon 20 mal von anderen bands auf diversen festivals gehört. außerdem: wenn ich keine songs habe, gehe ich auch nicht auf tour. 12 euro war ja wohl ne frechheit (auch wenn man danach noch zur party gehen konnte).

    da unterstütze ich lieber kleine deutsche bands, die sich nen ast freuen, wenn sie vor 50 leuten spielen können und das auch rüberbringen.

  • 1. März 2010 um 11:17 Uhr
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    @panschi oh sehr erfrischende meinung! finde ich interessant.

    wobei ich nochmal betonen muss (ich weiß nicht, wie weit vorne du standest) dass die beiden schon sehr gerührt und froh aussahen die ganze zeit. also diese arroganz, die man vielleicht in dieses erscheinungsbild von hurts oberflächlich hineininterpretieren kann, die fand ich war eben überhaupt nicht zu spüren. eher schüchternheit oder sogar schlicht und ergreifend aufregung und unsicherheit, die sich eben hinter diesen statischen posen verbirgt.

    und ich fand 12 euro für zwei bands (es spielten ja vorher noch so so modern) und im anschluss party auf zwei floors (mit dann auch wirklich guten djs) eigentlich sehr günstig.

    aber danke für deine einschätzung! das ist eben das was ich mich frage: werden hurts ihr publikum finden, denn für einen mainstream pop-act finde ich sie eigentlich zu indie und für indie wiederum eigentlich nicht indie genug.

  • 1. Juni 2010 um 01:40 Uhr
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    Morgen im Admiralspalast ist das Konzert ausverkauft.Das Album erscheint am 16.8.2010 und wird „Hurts“ heißen.Leute die schreiben so etwas haben sie schon tausendmal bei anderen Bands gehört,haben sorry nicht viel Ahnung von Musik.
    So ein Songwriting und auch die Arrangements sind extrem gut,zumal man auch die finanziellen Mittel der Band,Equipment etc berücksichtigen muß.
    Dafür ist das was Hurts bieten brilliant! Für mich ein Diamant in der Musikszene und mit das wertvollste was ich in den letzten 10 Jahren gehört habe.
    Songs wie Stay,Wonderful Life,Sunday,Blood,Tears& Gold sind echte Perlen,zeugen von hohem musikalischen Verstand wie man es selten findet!
    Wenn man sich dann das selbstgedrehte Video zu Wonderful Life anschaut, was nur 80 englische Pfund gekostet hat,und ein Anton Corbijn dafür hunderttausende ausgeben muß um ein ähnliches Stimmungsbild zu bekommen.dann kann man Hurts nur als Genius bezeichnen.
    Auch die Mode,die Frisuren,der Style passen sehr gut zur erzeigten Musik.
    Als Fazit..Hurts 10/10

  • 8. Juni 2010 um 03:53 Uhr
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    kam heut schon auf SWR3; mir schwant schreckliches…
    Schlimmste Band der letzten Jahre, echt.
    und wieso ist denn Musik für (neu-)romantische Junge Freiheit-Leser jetzt der neue (Indie-)Hype bitte?

  • 8. Juni 2010 um 08:56 Uhr
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    warum genau nochmal Junge Freiheit Leser? Wir Hurts Fans lesen genauso gerne auch den Stürmer.

  • 8. Juni 2010 um 15:53 Uhr
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    Hurts haben ja kürzlich einen Remix gemacht für Rammstein (und finden die glaube ich auch gut). Ich finde weder die Musik noch die Ästhetik von Rammstein gut. Man sollte aber bedenken, dass Rammstein im Ausland anders wahrgenommen werden als in Deutschland (nämlich unpolitisch). Und wenn man daraus einen Nazi-Bezug konstruiert, müsste man den dann genauso für David Lynch herstellen, der ja auch ein erklärter Rammstein-Fan ist. Ähnliche Diskussionen kann man auch zu Ian Curtis/ Joy Divison führen (gab’s auch). Kritisch hinterfragen finde ich völlig in Ordnung. Allgemein darf man glaube ich bei diesem Thema dennoch die Kirche im Dorf lassen. Hurts spielen mit Geschlechter-Bildern und nennen u.a. Prince als Vorbild. In Interviews wirken die Beiden sehr freundlich und sympathisch. Sollten die sich als reaktionäre Deppen rausstellen, fände ich die auch blöd. Bis jetzt sieht es aber so aus, als wären das zwei nette junge Leute, die Italo-Disco-/Popmusik der 80er lieben und sich im Stil der 40er Jahre kleiden. Und die Songs sind super, für mich eh wichtiger als der ganze Fashion-Quatsch. Aber das ist natürlich Geschmackssache, und das dürfen alle so sehen, wie sie mögen :)

  • 8. Juni 2010 um 15:58 Uhr
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    sieht mir auch eher nach einem Stylingmissverständniss aus. Heaven 17 wurden z.B. anfangs auch aufgrund ihrer Ästhetik von der konservativen Yuppieszene in England vereinnahmt, obwohl sie eigentlich erklärtermaßen links waren. Kann man u.a. anschauen in dieser sehr guten BBC-Doku

  • 26. September 2010 um 01:26 Uhr
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    Habe Hurts gerade erst entdeckt und freue mich einfach an so viel Pop!
    Wer eine Single “ Wonderful Life“ nennt ( ich bekenne mich hiermit als größte Bewunderin des brillanten Black- hach), mit so zauberhaftem Pathos arrangiert und noch dazu für das Video in einfach schöne, glasklare Bilder packt, genießt meine Hochachtung!
    Hach…

  • 1. März 2011 um 11:31 Uhr
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    Abgefahren, wie sich der Artikel ein Jahr später unter die Top5 der beliebtesten Artikel schiebt.
    Klassischer Fall von Popfrüherkennung.

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