2RAUMWOHNUNG, 24.02.2010, LKA, Stuttgart

2raumwohnung

Foto: Steffen Schmid

Mein letzter Besuch im LKA liegt ungefähr 13 Jahre zurück. NoFX oder Bad Religion oder irgendwas dazwischen. Weiß ich nicht mehr so genau. Irgendwann sind all diese Abende zu einem zähen Brei aus Erinnerungsschnipseln verschmolzen. Wohl auch besser so. Vielleicht war auch einfach die Ereignisdichte doch nicht so hoch, wie mir das damals vorkam.

2Raumwohnung setzen auf ihr altbewährtes Erfolgsrezept, das sich seit ihrem Überraschungserfolg Wir trafen uns in einem Garten im Jahre 2000 bewährt hat: Elektro-poppige Ohrwürmer mit zuckersüßem Mädchen-Gesäusel.
Eröffnet wird mit einer melodielosen Intro-Version eben jenes Songs. Inga Humpe bewegt sich katzenhaft und kokettiert verspielt mit dem Publikum, als habe sie ihr gesamtes bisheriges Leben auf einer Bühne verbracht. Hat sie auch fast, NDW sei dank („Ich düse, düse im Sauseschritt“). Außerdem dabei: Eine sechs-köpfige Band und Tommi Eckart, der zwar emsig an den Reglern des Mischpults schraubt, aber eigentlich einen ziemlich lockeren Job hat. Ich behaupte mal kühn, dass die gleiche Musik aus den Boxen käme, stünde er an der Bar. Aber weil er sich die ganzen Ohrwürmer aus seinem gelockten Haupt gezwiebelt hat, ist es nur fair, dass das Publikum eine Chance bekommt, auch ihm zuzujubeln.

Weiter geht’s mit Ich und Elaine, Lasso und Wir werden sehen. Live klingt das weitaus elektronischer und tanzbarer als auf Platte.
Die Stimmung ist inzwischen phantastisch, Hände werden in die Luft geworfen, und es wird mitgesungen. Der vordere Teil der Halle ist rappelvoll, weiter hinten ist noch viel Platz und man kommt sich ein bisschen vor wie in der Technodisko morgens um fünf, wenn die bisher Erfolglosen auf der Jagd nach ebenso Erfolglosen des anderen Geschlecht sind, zwecks Knickknack (i.e. sog. Resteficken).

2raumwohnung

Foto: Steffen Schmid

Auf der Bühne wird’s wieder rockiger, und alle singen mit: „Dabdada, dabdada.“ Tommi zählt ein: Wir trafen uns in einem Garten.
Das Licht sorgt zusammen mit den liebevoll produzierten Videofilmchen an der Wand für schöne Stimmung. 2Raumwohnung sind sehr sympathische Profis, die ihr Publikum genau kennen. Kleine Einspieler wie „My Sharona“ oder „Billy Jean“ halten die Show auch für die Band spannend, würzen das Ganze und werden von den Leuten mit Jubel quittiert.

Überhaupt, das Publikum: Selten waren die Gäste eines Konzerts heterogener: „Mädchen“ im besten Humpe-Alter (54) haben ihre Macker mitgebracht oder sind als Mädels-Grüppchen unterwegs. Dazu unsägliche SWR3-Hörer, die wahrscheinlich durch einen Anruf beim „Comedy“-Morgenprogramm zwei Karten für das Konzert gewonnen haben. Vor der Bühne tummeln sich Paare, die normalerweise ihre 13-jährigen Töchter zu Konzerten begleiten und sich dann dezent im Hintergrund halten. Heute sind die Töchter lieber zu Hause geblieben, es kommt ja schließlich Desperate Housewives. Neben all den Jeansjackenträgern (Nichts dagegen, aber Jeansjacken sind schon seit Jahren von der Modepolizei verboten worden und sollten der Textilverwertung nicht länger vorenthalten werden) tummeln sich auch viele Studentinnen. Und als i-Tüpfelchen steht auf dem Klo neben mir ein Typ in Lodenjacke. Es ist eine bunte Welt, in der wir da leben!

Bei Sexy Girl brechen endgültig alle Dämme, der Saal tobt. Kommt zusammen, Nimm mich mit und 36 Grad tun ihr übriges. Zwei Zugaben gibt’s, dann ist Schluss. 2Raumwohnung haben alles richtig gemacht, mir gehen seit Tagen verschiedene Textpassagen überhaupt nicht mehr aus dem Kopf:

  • Ich kann’s sehn, es wird gehen, es wird doppelt-dreifach-schön
  • Am nächsten Tag bin ich so müde, ich pass gar nicht auf und meine Freunde finden, ich seh fertig aus
  • Ich stell mir vor ich wär ein Fuchs, in einem Zeichentrick

Ich konstatiere: Alles im Lot im Universum von 2Raumwohnung, ein bisschen wie unter einer Infrarotlampe. Und das tut im Winter doch auch mal ganz gut.

Ein Gedanke zu „2RAUMWOHNUNG, 24.02.2010, LKA, Stuttgart

  • 27. Februar 2010 um 02:06 Uhr
    Permalink

    Mir ist von zwei 2raumwohnung-Auftritten auf Festivals, zwischen denen Jahre lagen, eines in schrecklicher Erinnerung: Schräger Sound und noch viel schrägerer Gesang im schlechtesten Sinne, die so wenig zusammenpassten wie zwei gleiche Pole an Magneten – es war zum Fremdschämen. Das scheint also abgestellt zu sein, Auskenner Lucas wäre das nicht entgangen. Die Bilder sind wieder so gut, dass sie das wahre Alter der Humpe, die ja gerne Thong zeigt, trotz Schichten von Schminke deutlich besser dokumentieren als bei TV-Auftritten zu vermuten wäre. Ordentliche Arbeit Kollegen.

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