WE WERE PROMISED JETPACKS, 19.01.2010, Schocken, Stuttgart

We Were Promised Jetpacks

Foto: Steffen Schmid

„Deine Masche ist, dass du vorgibst, keine zu haben“, klärte Kyra Sedgwick im Film „Singles“ einen Typen auf, der sie mal eben abschleppen wollte. Hätte sie auch zu We Were Promised Jetpacks aus Glasgow sagen können, wenn sie mal da gewesen wäre im bestens ausgebuchten Schocken. Deren Masche ist nämlich gut.

Herrlich beiläufig sind Adam Thompson (Gesang, Gitarre), Michael Palmer (Gitarre), Sean Smith (Bass) und Darren Lackie (Schlagzeug). Sehen aus als hätte man sie eben von einer Star Trek Convention oder aus einem Comic-Laden entführt und ihnen einfach so diese Instrumente umgehängt. Nerds. Volles Programm. Aber spielen Lieder, als ob der Teufel höchstpersönlich hinter ihnen her wäre.

„Keeping Warm“ zu Beginn ist gleich die erste Lektion in Dynamik und Arschtreten. Da steigern sich diese unaufgeregten Typen von 0 auf 100, halten kurz inne und treten dann mit 1A Tanzbuden-Wackel-Off-Beats die Flucht nach vorne an. „Roll Up Your Sleeves“, auch vom Debüt „These Four Walls“, ist kein Deut schlechter. Ganz zu schweigen von „Quiet Little Voices“ – ein kleiner Pophit irgendwo zwischen BlocParty in wild, Gang Of Four in jung und freundlicher Lärmbelästigung in Moll. Spitzensache. Und trotz all der melancholischen Tiefe schön kurzweilig und rasant.

Ein paar Typen brüllen jede einzelne Textzeile mit, andere wippen entrückt, manche schmunzeln, andere schauen verdattert – hat alles seinen Grund: We Were Promised Jetpacks. Denn diesen verhuschten Gesellen hätte man rein gar nichts von dem zugetraut, was sie da veranstalten – der Wucht, der Energie und der Dynamik. Keine Getue, kein doppelter Boden, einfach nur ein paar pickelige Jungs mit merkwürdigen Frisuren, dafür aber den Arsch voll mit purer Leidenschaft. Und mal unter uns: Lieder über blöde Liebesgeschichten, blaue Flecken, Wunden und andere Widrigkeiten nimmt man sowieso eher denen ab, die sich nicht so benehmen wie Jon Bon Jovi.

We Were Promised Jetpacks

Foto: Steffen Schmid

Thompson tapst immer noch unbeholfen ums Mikro herum, tritt sich aus Versehen das Instrumentenkabel aus der Gitarre und steckt es aber locker wieder rein, während er sich – natürlich, fast beiläufig – die Seele aus dem Leib schreit. Dann kommt sein einziger Trick: Der Typ, der trotzdem ein bisschen so aussieht wie die Arschlöcher, die einen früher auf dem Schulhof grundlos verdroschen und/oder ums Taschengeld erpresst haben, stellt sich weit neben sein Mikro und singt dafür umso lauter. Spitzeneffekt. Goldkehlchen, der Typ.

Guten Humor haben sie auch beieinander, wer nennt heutzutage seine Lieder schon noch „Ships With Holes Will Sink“? Die Kür haben sie sich aber für „It’s Thunder and it’s Lightning“ aufgehoben. Thompson singt mit geschlossenen Augen, zupft fast mantraartig an der Gitarre. Michael Palmer gesellt sich am Glockenspiel zu ihm und die Spnannug – Verzeihung, ich meine, Spannung – wird fast unerträglich…. „Your body was black and blue“ singt Thompson und wird immer lauter dabei, Darren Lackie drischt aufs Schlagzeug und die Hölle bricht endgültig los. Hut gezogen, Mund wieder zugemacht. Das war Magie.

„Ein bisschen wie White Lies“, sagt einer vor dem Konzert an der Bar. Meine gute Erziehung und seine Körperstatur hielten mich davon ab, ihm „Pffffffffff“ ins Gesicht zu rufen. Stimmt nämlich überhaupt nicht. White Lies sind auf ihrer eigenen Schleimspur ausgerutscht und zugesaut mit Zuckerguß. Wenn We Were Promised Jetpacks stolpern, dann höchstens, weil sie vergessen haben, sich die Schuhe gescheit zu binden. Das ist ein himmelweiter Unterschied.

Und das Beste daran: We Were Promised Jetpacks wissen wahrscheinlich nicht einmal, dass Kyra Sedgwick und der Typ am Ende des Films ein lupenreines Happy End hinlegen. Mit allem Zubehör.

8 Gedanken zu „WE WERE PROMISED JETPACKS, 19.01.2010, Schocken, Stuttgart

  • 20. Januar 2010 um 07:25 Uhr
    Permalink

    Rockband-Aussehens-Logik-mäßig hätte eigentlich der feiste, vierschrötige Weirdo ans Schlagzeug gehört, und dafür der blonde Surfertyp vom Schlagzeug weg und vorne auf die Bühne. Aber da kam wohl die Schulhoferfahrung zum Zuge…nee, Spaß, super Sänger der Mann, hätte ich so nicht erwartet.

  • 20. Januar 2010 um 10:32 Uhr
    Permalink

    Sag mal, Setzer, ist schon wieder November? Das ging aber schnell ;-)
    Aber schöner Bericht eines ganz tollen Konzerts. Teilweise sehr beeindruckend. Und trotz der relativen Kürze hat nichts gefehlt an diesem Abend…

  • 20. Januar 2010 um 10:39 Uhr
    Permalink

    iiiih, das Bon Jovi Bild ist nichts für meinen nervösen Magen…

  • 20. Januar 2010 um 19:41 Uhr
    Permalink

    2x sprachlos innnerhalb 24 Stunden.
    Das erste mal wegen des unglaublichen Auftritts der vier Jungs aus Glasgow, das zweite mal nach dem Lesen dieser Review…

  • 20. Januar 2010 um 21:21 Uhr
    Permalink

    Herrlicher Text!
    Und auf „Singles“ mit Kyra Sedgwick zu verweisen ist so was von camp. Großartig!

  • 21. Januar 2010 um 13:23 Uhr
    Permalink

    Wieviele waren denn da? Konnte leider nicht beiwohnen :(

  • 21. Januar 2010 um 13:26 Uhr
    Permalink

    @JMO2: also oben war zu, aber unten (Erdgeschoss) war’s gut gefüllt. Aber keine Ahnung wieviele Personen das dann sind.

  • 21. Januar 2010 um 14:15 Uhr
    Permalink

    Ok, das langt mir schon als Angabe :) Danke schön!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.